Kritik zu Die Farbe aus dem All
Er hat nur wenige Filme gemacht. Jahrelang war er abgetaucht. Jetzt erscheint Richard Stanleys Lovecraft-Adaption »Die Farbe aus dem All«
Mit »Color Out of Space« hat Richard Stanley seinen ersten reinen Horrorfilm gedreht. Seine Adaption der gleichnamigen Erzählung H. P. Lovecrafts beginnt zwar mit einem magischen Ritual, durch das die Teenagerin Lavinia Gardner ihre Mutter Theresa von ihrer Krebserkrankung heilen will. Doch spätestens in dem Augenblick, in dem ein Meteorit in der Nähe des abgelegenen Farmhauses einschlägt, verliert jede Form von weißer oder auch schwarzer Magie ihre Macht. Mit dem Meteoriten dringt eine außerirdische Macht in die Welt der Gardners ein, der sich keines der Familienmitglieder entziehen kann. Die »Farbe aus dem All« verändert mehr als nur die Vegetation auf der Farm, die plötzlich violett und grünlich zu strahlen beginnt. Sie bringt auch die zerstörerischsten Seiten der Menschen zum Vorschein. So wendet sich Lavinias Magie schließlich gegen sie selbst. Bei einem Ritual, das sie schützen soll, verletzt sie sich. Und ihr von Nicolas Cage gespielter Vater Nathan entpuppt sich unterm Einfluss der extraterrestrischen Farbe als cholerischer Trinker, der zwischen Apathie und Gewaltausbrüchen schwankt.
Stanley bleibt überraschend nah an Lovecrafts Erzählung. Er modernisiert sie nur sehr vorsichtig, um den kaum zu fassenden Schrecken in unserer Gegenwart zu verankern. Wie dem bahnbrechenden Autor geht es auch ihm vor allem um eine Atmosphäre schier unfassbaren Entsetzens, ein fast körperliches Gefühl des Widerwillens. In Bildern, deren irreale Schönheit – das Funkeln der Farben hat zunächst etwas Betörendes – schließlich das Grauen hervorbringt, kommt Stanley dem Lovecraft'schen Horror näher als die meisten Filmemacher, die sich bisher an dessen Erzählungen und Romanen versucht haben. Anders als Lovecraft, der in seiner Geschichte einfach nur von zerstörerischen Kräften einer außerirdischen Macht erzählt, zieht Stanley noch eine zweite Ebene ein. Im Zimmer von Lavinias Bruder Benny hängt in großen farbigen Lettern eben jener Bibelvers aus »M.A.R.K. 13 – Hardware«: »No flesh shall be spared.« Das kann man als ironisches Selbstzitat, als postmodernen Witz, verstehen. Doch dafür ist »Color Out of Space« viel zu ernst und düster. Außerdem bewahrheitet sich dieser Spruch. Denn die strahlende außerirdische Farbe verwandelt schließlich auch das Fleisch. Theresa und ihr jüngster Sohn Jack verschmelzen durch ihren Einfluss sogar zu einem Wesen, das an die Visionen eines David Cronenberg oder die Halbwesen und Monster in Stanleys »The Island of Dr. Moreau« erinnert. Wie der Cyborg M.A.R.K. 13 ist die Farbe aus dem All ein Agent eben jener Macht, die den Geist aus dem Gefängnis des Körpers befreien will.
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