Kritik zu Der Schatz
Corneliu Porumboius Geschichte einer modernen Schatzsuche ist mehr als nur eine Satire auf aktuelle rumänische Zustände
Der kleine Alin ist enttäuscht. Der Vater hat sein Wort gebrochen und ihn zu spät von der Schule abgeholt. »Robin Hood hat sich nicht verspätet«, versucht Costi seinen Sohn nun zu besänftigen, »er hat sich nur versteckt.« Beim Zubettgehen liest er ihm später aus dem Buch über seinen Lieblingshelden vor, der gerade maskiert am Turnier der Bogenschützen teilnimmt.
Mit dem Zitat der Abenteuergeschichte verleiht Corneliu Porumboiu seinem neuen Film eine kluge mythische Grundierung, denn auch er handelt von rechtmäßigem Besitz und der Übertretung des Gesetzes. In der Realität lässt sich freilich nicht leicht unterscheiden, ob der Vater nun eher dem edlen Robin oder seinem Widersacher, dem gierigen Prince John, ähnelt. Das abendliche Vorlesen wird nämlich zwei Mal unterbrochen von Costis Nachbar Adrian, den die Wirtschaftskrise seinen Verlag gekostet hat und der sich nun 800 Euro leihen will. Costi lehnt zunächst ab. Beim zweiten Besuch tischt ihm Adrian jedoch eine sagenhafte Geschichte auf: Sein Großvater habe im Garten einen Goldschatz vergraben, als die Kommunisten an die Macht kamen. Mit dem geliehenen Geld soll eine Firma bezahlt werden, die das Gelände mit Metalldetektoren durchsucht. Obwohl eine solch dubiose Unternehmung dem Wesen des korrekten Beamten und treu sorgenden Familienvaters widerspricht, willigt Costi ein. Anfängliche Komplikationen – da historische Münzen zum Kulturerbe gehören, muss ihr Fund der Polizei gemeldet werden – sind rasch überwunden, als sich ein unerschütterlich phlegmatischer Schwarzarbeiter findet.
Der zweite Anlauf, den Adrian nimmt, hat auch ästhetische Konsequenzen. Mit ihm schleicht sich ein doppelter Boden des Fantastischen und der Ironie in den sozialrealistischen Erzählstil ein, den wir vom neuen rumänischen Kino gewohnt sind. Der listig nüchterne Tonfall – auch die Akteure lassen sich ihr Fieber nicht anmerken und bewahren keatoneske Gelassenheit – schürt den Argwohn des Zuschauers, der fortan überall einen Hinterhalt wittert. Tatsächlich entwickelt sich im Verlauf der Schatzsuche ein veritabler Abenteuer-Suspense. Man bangt einer bösen Schlusspointe entgegen. Das Drehbuch steckt voll unverhoffter Wendungen, die Skeptiker wie Optimisten gleichermaßen düpieren.
Es ist ein treffliches Sujet für Poromboiu, der ja stets von der Wiederkehr der Geschichte erzählt. Als Archäologe der Machtverhältnisse zeigt er sich hier auch im verschmitzten Wortsinne, denn die Ablagerungen der wechselhaften Nutzungsgeschichte des Grundstücks erschweren die Schatzsuche immens. Natürlich wird die haarsträubende Expedition der zwei Nachbarn auch als Sinnsuche kenntlich. Und eine vergnügte Satire auf rumänische Zustände, auf ein Klima der Kungelei und Korruption, ist dies allemal. Aber insgeheim verfolgt Porumboiu noch eine weitere Agenda: Costi lässt sich auf die kindische Suche ein, um seinem Sohn gegenüber Wort zu halten. Und der hat sehr genaue Vorstellungen davon, wie ein Schatz auszusehen hat.
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