Kritik zu Der Pinguin meines Lebens

© Tobis Film

Peter Cattaneo (»Ganz oder gar nicht«) verfilmt die Geschichte des Lehrers Tom Michell, der 1976 zu Beginn der Militärdiktatur in Buenos Aires landet und durch die Adoption eines Pinguins sich und seine Umgebung verändert

Die Poesie spiegelt das Leben in Peter Cattaneos Film »Der Pinguin meines Lebens«. Das Gedicht »À Quoi Bon Dire« der englischen Autorin Charlotte Mew besitzt eine besondere Bedeutung für Cattaneos Hauptfigur Tom Michell. Die Verlust-Melancholie des Werkes klingt bereits in den ersten Zeilen an: »Vor siebzehn Jahren sagtest du / Etwas, das wie Abschied klang; / Und alle denken, dass du tot bist, / Alle außer mir.« Michell trifft 1976 in Buenos Aires ein, um an einer Privatschule verwöhnte Söhne der argentinischen Oberschicht im Fach Englisch zu unterrichten. Es ist das Jahr, in dem das Militär gegen die Regierung der Präsidentin Isabel Perón putscht und ein bis 1983 agierendes Terrorregime etabliert.

Steve Coogan fühlt sich wohl als Lehrer an einer Schule, in der man Politik mit einem kleinen »p« schreibt, wie der Leiter (Jonathan Pryce) nicht müde wird zu betonen. Coogan, der Komik mit Tiefgang zu verbinden vermag, stattet seinen Michell mit knittriger Lebensmüdigkeit, charmantem Sarkasmus und blasierter Indifferenz aus. Ein Mann in Beige-, Braun- und Senfgelbtönen (Anzüge: Gresham Blake), der sich von der Welt verabschiedet hat und sich selbstbezogen aus den Zumutungen der Wirklichkeit heraushalten will. Als er miterlebt, wie die Putzfrau Sofía (Alfonsina Carrocio) auf der Straße verhaftet wird, verharrt er wie in Schockstarre, unfähig (oder unwillig) zu helfen: ein Sinnbild verlorener Empathie und von Feigheit.

Der Film basiert auf der Autobiografie »The Penguin Lessons« des 1952 geborenen Tom Michell. Ein Magellan-Pinguin, den er 1976 nach einem Kurzurlaub in Punta del Este in Uruguay nach Buenos Aires mitnimmt (kompliziert-komische Geschichte), verändert nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Schüler und seiner näheren Umgebung. Das Juan Salvador getaufte Tier wird zum Katalysator, zu einem putzig auftretenden Veränderungsmotor. Es wirkt auf Menschen, die ihm wie einem Therapeuten ihre Geheimnisse anvertrauen. Cattaneo hat 1997 die Komödie »Ganz oder gar nicht« inszeniert. So sieht er auch in der von Jeff Pope fürs Kino adaptierten Geschichte Michells vor allem die humorvollen Facetten. Der Film ist gefühlvoll, aber abgesehen von Federico Jusids Musik nie verboten zuckrig. In einer Szene Michells mit einem Handlanger des Systems wird die amoralische Brutalität der argentinischen Militärdiktatur erfahrbar. 

Ausstattung (Isona Rigau) und Kamera (Xavi Giménez) rekonstruieren liebevoll und nuanciert die 1970er Jahre an den Dreh­orten in Argentinien, Uruguay und Gran Canaria. Das Ensemble transportiert pure Spielfreude. Der Schwede Björn Gustafsson verkörpert einen skurrilen finnischen Schulkollegen Michells, an den Ironie und Sarkasmus auf wunderbare Weise verschwendet sind. Jonathan Pryce als Schulleiter arbeitet sich engagiert an einer Figur ab, die mit den Pointen ihrer Witze stets ins Leere trifft. Magellan-Pinguin Juan Salvador schließlich holt alles aus seiner weitgehend stummen Rolle heraus: ein 60 Zentimeter kleiner Herzensbrecher.

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