Kritik zu Der Hobbit – Eine unerwartete Reise

© Warner Bros.

Der eigentlich kleine Vorläufer von Tolkiens Roman-Trilogie »Der Herr der Ringe« wird als Film ganz groß und steht in den visuellen Effekten dem Vorläufer in nichts nach

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Wenn man nach dem Film das Buch in die Hand nimmt, kommt es einem ganz klein vor, unscheinbar fast mit seinem harmlos märchenhaften Anfang »In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit«. Und man wundert sich etwas, wie ein solch opulenter Film daraus werden konnte. Dabei hat die Geschichte, die 20 Jahre vor Tolkiens Opus magnum entstand, schon eine ganz ähnliche Struktur wie »Der Herr der Ringe«. Es geht um Gefährten, 13 Zwerge, einen Hobbit und einen Zauberer, die sich aufmachen, um das Zwergenreich Erebor zu befreien, das mit all seinem Gold von einem Drachen besetzt ist. Es gibt Goblins, Wargs und Orks auf der Seite des Bösen und Elben und Hobbits auf der des Guten. Zwischentöne, überraschende Verschlagenheit oder gar Antitypen waren Tolkiens Sache nicht. Ihm ging es immer um das Ganze, ein Reich der eindeutigen Feindbilder und den Sieg der Herrlichkeit.

Die Zwerge nun wollen ihre Heimat zurückerobern. Ohne Gandalfs Zauberkräfte wäre das nur schwer möglich. Die Frage, was denn der Halbling Bilbo Beutlin dabei zu suchen hat, führt uns ganz kurz in eine andere Dimension. »Er schützt mich in seiner Unscheinbarkeit vor meiner eigenen Angst«, sagt Gandalf und verlässt sich für einen einzigen philosophischen Moment auf den verschlagen tiefgründigen Blick, den Ian McKellen seinem Zauberer trotz grauem Bart und tief in die Stirn gezogenem Hut angedeihen lässt. Solche Momente sind leider viel zu selten in diesem Film, der sich anschickt, so groß wie die Vorläuferreihe »Herr der Ringe« zu werden, mit ebenso drei Teilen und insgesamt rund 500 Minuten. Doch schon bei diesen ersten 170 gibt es kaum Längen oder Momente der Leere oder Langeweile. Regisseur Peter Jackson lässt keinen Zweifel daran, dass er sein Ziel erreichen wird, aus einem kleinen Buch einen großen Film gemacht zu haben.

Anderthalb Jahre drehte Jackson mit einem Budget von 150 Millionen US-Dollar in Neuseeland, ein erstaunliches Unternehmen für das kleine Land mit nur 4,4 Millionen Einwohnern. Um eine besondere digitale Schärfe zu erzeugen, hat er ein neues Verfahren angewandt: Mit der sogenannten HFR (High Frame Rate) hat er nicht mehr nur 24, sondern 48 digitale Bilder pro Sekunde aufgenommen, dazu die Bitrate in Super HD von 2048 auf 5120 Pixel erhöht, das Ganze dann mit zwei Kameras in 3D gedreht und somit insgesamt 24-mal so viele Daten wie sonst pro Bild erzeugt. Das kann man sehen. Jackson hält sich angenehm zurück, was die 3D-Effekte angeht, es gibt kaum fliegende Gegenstände oder den Zuschauer bedrohende Schwertspitzen. Dafür lebt das Bild aus dem Raum heraus, den immer wieder die neuseeländische Berglandschaft bestimmt, wie ein heimlicher Held des Films. Überhaupt ist es erstaunlich, wie sehr die Marke »Herr der Ringe« mit Peter Jackson und Neuseeland verbunden ist. Peter Jackson scheint der Einzige zu sein, der für ein solches Großprojekt in den neuseeländischen Nationalparks eine Dreherlaubnis erhält, nicht zuletzt, weil er mit seinen Filmen eine eigenständige Industrie begründet hat.

Peter Jackson hat seine Lehrjahre mit »Bad Taste« und »Braindead« nicht vergessen. Überbordende Gewalt inszeniert er mit Vorliebe und mit großer Kunst. Schon in den ersten Bildern zeigt er seine brutale Meisterschaft, wenn der König der Zwerge enthauptet und einem besonders schurkischen Ork ein Arm abgeschlagen wird, lange bevor die eigentliche Handlung beginnt. »Der Hobbit« ist kein Kinderfilm mehr, und das obwohl es einige skurril-komische Szenen gibt, mit Dialogen, die eher an Woody Allen erinnern als an Tolkien.

Jackson schöpft aus dem Vollen. Er mutet seinen Zwergen fünf Stunden in der Maske zu, um das perfekte Bild zu erzeugen und hat einen Film geschaffen, der funktioniert und dabei einfach gut aussieht. Denn auch beim Fantasy-Genre geht es um die Glaubwürdigkeit der Inszenierung, um eine Form der nachvollziehbaren Wahrscheinlichkeit. Und es wird höchste Zeit, dass man auch bei den Oscars erkennt, welche schauspielerische Leistung zum Beispiel hinter Gollum steckt, den man so leichtfertig für eine Kreatur rein aus dem Computer hält. Andrew Serkis, der auch als Second-Unit-Director fungiert, leistet da im Motion-Capture-Verfahren mehr als so mancher Stuntman.

Vielleicht hat »Der Hobbit« von allem etwas zu viel. Zu viele Orks, zu viele Goblins auf zu vielen Brücken in zu tiefen Höhlen. Zu viel von dem großen Bruder »Herr der Ringe« und zu wenig Eigenständigkeit in Komik und Persönlichkeit der Figuren. Aber er bleibt als Fantasy-Abenteuer ein Dokument des zurzeit filmisch Machbaren. Selbst wenn man so gut wie nie erkennt, wie etwas hergestellt wurde, sieht man in der Differenz zu anderen Filmen des Genres, wie intensiv hier an der Illusion gearbeitet wurde. Und so entstehen jenseits der plakativen Handlung visuelle Räume, die auch Platz lassen für Zwischentöne. Und die Lust machen auf den zweiten Teil, in dem der Drache zur vollen Größe erwachen wird.

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