Kritik zu Das Land meines Vaters
Mit zwei Millionen Zuschauern war Edouard Bergeons Porträt eines verzweifelten Bauern ein Überraschungshit in Frankreich
Vielleicht nimmt das Verhängnis schon ganz zu Anfang seinen Lauf, als Pierre 1979 mit großen Träumen aus Amerika heimkehrt. In Wyoming hat er die Landwirtschaft in einer anderen Größenordnung kennengelernt: Auf der Ranch, wo er als Cowboy arbeitete, gab es 10 000 Stück Vieh. Der Hof seines Vaters nimmt sich demgegenüber bescheiden aus. Aber die Familie hat er seit dem Krieg zuverlässig versorgt.
Mithin glaubt Pierre (Guillaume Canet), kein großes Risiko einzugehen, als ihm Vater Jacques (Rufus) den Hof für eine erkleckliche Summe verkauft. Er hat ehrgeizige Pläne, die Bank gewährt ihm Kredit. Stolz reitet er auf einem Schimmel über die weitläufigen Ländereien, die er fortan bewirtschaften wird. Ein letztes Mal darf er sich als Cowboy fühlen. 17 Jahre später haben er und seine Jugendliebe Claire (Veerle Baetens) zwei Kinder und den Hof um einen Stall vergrößert, der Platz für 2000 Ziegen bietet. Sie führen ein glückliches, ausgelassenes Leben, Sohn Thomas hilft begeistert bei der Arbeit mit. Aber eines Tages erklärt Claire ihrem Mann, dass sie bankrott sind. Pierre tritt die Flucht nach vorn an, verschuldet sich weiter.
Trotz der pastoralen Panoramen, mit denen Edouard Bergeon das Landleben und die multikulturelle Dorfgemeinschaft beschwört, weiß man, dass diese Geschichte nicht gut ausgehen wird: Die erste Einstellung, in der ein gealterter Pierre verstört über ein Feld taumelt, besiegelte es. Das französische Kino wendet sich oft mit beachtlichem kommerziellem Erfolg diesem Beruf und dieser Lebensweise zu. Meist geschieht dies unter dem Vorzeichen der bukolischen Stadtflucht (»Eine Schwalbe macht den Sommer«) oder der historischen Entrückung (»Das Mädchen, das lesen konnte«). Die wirtschaftliche Misere, in der die Agrarwirtschaft seit 40 Jahren steckt, nimmt sie kaum in den Blick. Sie ist verheerend: Das Gros der Landwirte verdient gerade einmal 500 Euro im Monat, und die Selbstmordrate ist 20 Prozent höher als in der Gesamtbevölkerung. Die enorme Resonanz, die »Das Land meines Vaters« in Frankreich hatte, verdankt sich weniger der Analyse systemischer Probleme als einer Betroffenheit, die das Publikum unmittelbar anspricht. Bergeon erzählt vom Niedergang seines eigenen Vaters, konzentriert sich auf ein Schicksal, das beispielhaft für viele steht.
Das Ideal des Bauern als notwendig zuversichtliche Figur – seine Arbeit ist eine Wette mit Erfahrung und Zukunft –, demontiert er nachdrücklich. Er schildert die Verwerfungen des Berufs, die zunehmende Industrialisierung und Abhängigkeit von chemischen Dünge- und Futtermitteln. Im Gegenzug weigert sich Bergeon, seinen Protagonisten als Globalisierungsopfer zu zeigen, was politisch achtsam ist. Nach dem Brand des Ziegenstalls verfällt Pierre in eine tiefe Depression, verwahrlost zusehends, bedroht gar seine Familie. Claire weist ihn in eine Klinik ein. Die Kinder geben ihr Bestes. Aber können sie den Vater retten, der aufgehört hat, an die Zukunft zu glauben?
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