Kritik zu Club Zero
Jessica Hausner erzählt in ihrem neuen Film davon, wie Schüler und Schülerinnen eines Internats einer guru-haften Lehrerin folgen, die »achtsames Essen« als Kultparole ausgibt
In der Entrückung kann etwas Parabelhaftes, Universelles stecken. Genau das scheint die österreichische Regisseurin Jessica Hausner mit ihrem neuen Film »Club Zero« im Sinn zu haben. Mit einer strengen Inszenierung und absurden Überhöhungen will sie menschlichen Verhaltensweisen und Konventionen den Spiegel vorhalten.
Alles in dieser englischen Eliteschule, in der ihr Film größtenteils spielt, hängt leicht schief und ist auf eine sachliche Art zeitlos. Die Schülerinnen und Schüler tragen Uniformen aus gelben Poloshirts und übergroßen kurzen Hosen und besuchen Lehrveranstaltungen in achtsamer Ernährung oder Mandarin. Die Schule selbst ist ein überperfekter Designbunker: Sichtbeton, Ziegel- und Holzelemente, dezent bespielt mit schnittigen 60er-Jahre-Möbeln. Gedreht wurde vieles im St. Catherine's College, das der dänische Architekt Arne Jacobsen designt hat.
An die Schule kommt mit Miss Novak (toll: Mia Wasikowska) eine Art zurückhaltend wohlwollender New-Age-Guru. »Es sind nur du und die Schokolade«, sagt sie, als jemand in ihrem Kurs zur achtsamen Ernährung bewusst ein Stückchen essen soll. Zunächst sitzen sie im Kreis – Trampolinturnerin Ragna (Florence Baker), der queere Balletttänzer Fred (Luke Barker), Ben (Samuel D Anderson), dessen Mutter ihn groß bekocht, und Bulimikern Elsa (Ksenia Devriendt) – und hören sich Miss Novaks ruhig vorgetragene ideologische Zaunpfähle an. Zwischendurch wird meditiert, »Ham!«. Es gehe um die Autophagie, predigt Miss Novak, um jenen Zellreinigungsprozess, der angeblich beim Fasten nach einer gewissen Zeit ohne Essen einsetzt.
Die Lehrerin bearbeitet ihre Schülerinnen und Schüler so weit, dass sie dem »Club Zero« beitreten wollen und, wie sie selbst, ganz mit dem Essen aufhören. Sie müssten einfach glauben, und wozu brauche es schon wissenschaftliche Beweise, wenn etwas funktioniert? Den neureichen Eltern, die von nachhaltigen Lebensweisen faseln und zugleich in ihren Villen hausen oder sich in Hilfsprojekten in Afrika engagieren, um vor dem Nachwuchs zu fliehen, entgleiten die Kinder zusehends.
Es hat seinen Reiz, wie Hausner in dem schmucken Setting einen Raum der satirischen Dissonanz zwischen (formaler) Sachlichkeit und Selbstzerstörung aufmacht. »Club Zero« erzählt mit strengen Einstellungen, perfekt komponierten Bildern in satten Farben – ein Stil, den man aus Hausners englischsprachigem Debüt »Little Joe« kennt – und einem thrillerhaften Score von vielem: von persönlicher Radikalisierung, ideologischer Indoktrination gegen soziale und kapitalistische Zwänge und von der Dualität Wissenschaft gegen Glaube.
Doch trotz der zeitgemäßen Themen, die der vom Rattenfänger von Hameln inspirierte Film tangiert, trotz all der Ambivalenzen, die er aufmacht, und trotz einer erinnerungswürdigen Kotzszene: »Club Zero« entpuppt sich am Ende als distanzierte Oberflächenstudie, die kaltlässt.
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