Kritik zu Burn After Reading
Auf ihren düsteren »No Country for old Men« lassen die Brüder Coen eine Komödie folgen, in der George Clooney und Brad Pitt sich den Spaß erlauben, die Blödmänner zu geben
Es sei nicht ohne Gefahr, über einen Witz zu lachen, pflegte der amerikanische Komiker Danny Kaye zu erklären, man bekäme ihn dann nämlich immer wieder zu hören. Joel und Ethan Coen lieben das Spiel mit dieser Gefahr: Sie verführen den Zuschauer zum Lachen, um ihn dann dem Experiment auszusetzen, ob er über den gleichen Witz auch noch lacht, wenn es immer gewalttätiger und blutiger zugeht. Die größten Fans der Coens prahlen nicht umsonst in Guinness-Rekord-Manier von den Filmen wie von überstandenen Mutproben: Ich habe es geschafft, mich auch noch am Ende von »Fargo« köstlich zu amüsieren!
Eine solche Haltung sagt schon einiges über die Figuren, die die Coen'schen Filme üblicherweise bevölkern. Nicht nur, dass man eigentlich nie Mitleid mit ihnen empfindet, selbst wenn sie Schreckliches erleiden, man verspürt auch nur selten wirkliche Sympathie für sie, allenfalls ein komplizenhaftes Einverständnis wie etwa mit Tommy Lee Jones' resignativ-verstimmtem Sheriff aus »No Country For Old Men«.
Den gleichsam olympischen Hochmut, den die Coens ihren Figuren gegenüber bewahren, demonstrieren sie mit der ersten Einstellung in »Burn After Reading« deutlich wie nie: In einer Trickkamerafahrt zoomt sich der Blick von weit oben aus dem All nach Washington D.C. ein. Und es ist verräterisch, dass allein diese pure Evokation von Fallhöhe schon die ersten Lacher provoziert. Zumal in den Niederungen der amerikanischen Hauptstadt tatsächlich Lächerliches passiert: Ein CIA-Mitarbeiter minderer Geheimnisstufe wird gefeuert. Wenn jemand eine Figur spielen kann, die eine solche Situation keineswegs mit Humor zu nehmen versteht und gleichzeitig gefeit bleibt vor jedem Mitleid des Zuschauers – dann ist es John Malkovich. Wir sehen seinen Osborne Cox die Sachen packen, das Gebäude verlassen, nach Hause zu seiner Frau kommen; er ist wütend, beschämt, gedemütigt. Wir aber empfinden eine Schadenfreude, in die sich gar Vorfreude auf die Katastrophen mengt, die über diesen Mann bald noch hereinbrechen werden. Selbst als wir entdecken, dass seine Frau eine kalte, bissige und unzufriedene Doktorin ist, dargestellt von einer wahrlich angsteinflößenden Tilda Swinton, empfinden wir kein Mitgefühl. Auch nicht, als enthüllt wird, dass sie eine Affäre mit Harry Pfarrer, einem Angestellten des Finanzministeriums hat, der von George Clooney dargestellt wird.
Swinton und Clooney bilden hier eines der unwahrscheinlichsten Liebespaare der Filmgeschichte: Sie die dauerfrustrierte, humorlose Frau von scharfem Verstand, die den Zustand von Zufriedenheit im Grunde schon für Blödheit hält. Er, der in seiner geistigen Beschränktheit kaum ahnt, was Unzufriedenheit wirklich ist, und sich in allen Lebenslagen auf sein gutes Aussehen verlässt. Nur Internetdating macht eine solche Paarung möglich.
Einer der Späße, die der Film sich erlaubt, besteht darin, Frauenschwarm Clooney an späterer Stelle ebenfalls per Internetdating mit einer wirklich »grauen Maus« zusammenzubringen, der von Frances McDormand gespielten Fitnessstudioangestellten Linda Litzke. Ihre Figur wird passenderweise mit dem Besuch beim Schönheitschirurgen eingeführt, mit entsprechenden Close-ups auf die reparaturbedürftigen Stellen. Linda Litzke, selbst nach der Begegnung mit Clooney, hat fürderhin kaum etwas anderes im Kopf, als das Geld für die Operationen aufzutreiben.
Ergänzt wird dieses Panorama der Unsympathen noch durch Brad Pitt, der einen Arbeitskollegen Litzkes spielt. Auch hier zeigen die Coens ihren Sinn für Humor, indem sie Pitt eine Figur spielen lassen, die ganz der Gegensatz zu seinem Starimage ist: Sein Chad Feldheimer ist ein dauerkaugummikauender, auf sein Fahrrad fixierter Tor, zu kindlich und dumm, um an Sex auch nur zu denken.
Mit dem ihnen so eigenen Talent dafür, den absurdesten Handlungsverlauf als absolut zwingende Entwicklung darzustellen, lassen die Coens diese fünf im Film ihre Wege kreuzen – mit verheerenden Folgen für alle Beteiligten. Am Ende berichtet ein CIA-Mitarbeiter das Vorgefallene seinem Vorgesetzten. Der kann kaum glauben, dass so viel Blödheit zusammentrifft. Manchem Zuschauer mag es ähnlich gehen.
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