Kritik zu Auf brennender Erde
Der begnadete mexikanische Drehbuchautor Guillermo Arriaga (»Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada«) wollte es unbedingt wissen und wechselte in den Regiestuhl. Mit zweifelhaftem Ergebnis
Eine Explosion inmitten einer Steinwüste, allerdings perspektivegerecht zwischen zwei Bergspitzen platziert. Fast eine Idylle. So fängt der Film an. Gleich darauf sieht man eine junge Frau (Charlize Theron) am Fenster stehen, das aufs Meer hinausgeht. Sie ist gerade aufgestanden, ihr Liebhaber – einer von vielen, wie wir bald erfahren – liegt noch in den Laken. Sie steht dort nackt, zeigt sich provokant den vorbeilaufenden Schulkindern. Wüste und Meer liegen zwangsläufig weit auseinander – es dürften zwischen Portland und New Mexico um die zweitausend Kilometer sein. Noch denkt man sich nichts dabei, hält die »brennende Erde« für ein Traumbild, nicht für bare Münze.
Fünfundvierzig Minuten später sieht alles ganz anders aus. So lange braucht der frisch gebackene Regisseur, bis er die verschiedenen Erzählebenen und deren Protagonisten halbwegs eingeführt hat. Der Wohnwagen, der in der Wüste lichterloh brannte, hat ein heimliches Liebespaar verschmolzen, eine Mutter (Kim Basinger) und einen Vater (Joaquim de Almeida), deren Familien von ihrem Verhältnis nichts wussten. Ihre Kinder sehen sich zum ersten Mal bei der Beerdigung, neue Geschichten, ein neues Liebespaar entsteht – Romeo und Julia aus der Wüste. Inzwischen ahnt man, dass die selbstzerstörerische Nymphomanin aus Portland, die dort ein Nobelrestaurant leitet, aber tief unglücklich ist, mit dem blonden Teenager (Jennifer Lawrence) von der Ranch identisch ist, aber damit nicht genug. Von Anfang an wird sie von einer finsteren Mannsgestalt verfolgt, die sich wie ein Schatten an ihre Fersen heftet.
Drehbuchautor Arriaga erzählt in Wahrheit von einer Tragödie antiken Ausmaßes, vom Fluch einer Familie, die immer wieder von ihrem Übel heimgesucht wird, obwohl sie diesem zu entkommen versucht. Alles hängt an der doppelgestaltigen Sylvia (Theron) und ihrer Mädchenausgabe Mariana (Lawrence), die, häppchenweise vorgeführt, unnötig verrätselt werden und ihre innere Tragik nicht wirklich entwickeln können.
In den bisherigen, vorwiegend von Alejandro González Iñárritu verfilmten Büchern aus der Feder Arriagas waren Figuren und Örtlichkeiten klar und besaßen die nötige emotionale Wucht, um das episodische Erzählgetriebe zu befeuern. Aber hier reicht nicht einmal kriminalistischer Scharfsinn, um den Nichtkrimi über eine große Schuld, die nicht vergeht, zu enträtseln. Literarisch mag sich das Erzählpuzzle interessant ausnehmen, aber erzählerische Wucht im Kino entsteht hier keine – weder die Bilder noch die menschlichen Gefühle haben eine Chance, sich zu entfalten. Die einzige Wucht, die sich in diesem Film entfaltet, ist die der oftmals wiederholten Explosion, die aber die eigentlichen Familienkonflikte fast verschluckt – auch den der jungen, dann erwachsenen Frau, die mit ihrem Schicksal hadert, sich mit Selbstverstümmelungen straft und mit dem Selbstmord ringt. Sie ist der Mittelpunkt des Films, aber ihre wahre Motivation bleibt unergründet und findet – ganz zum Schluss – zu einer aufgesetzten Kinolösung. Leider glaubt man diesem hervorragend fotografierten Film (Robert Elswit) rundweg rein gar nichts.
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