Kritik zu King's Land

© Plaion Pictures

Nikolaj Arcels neuer Film ist ein Western, der im Dänemark des 18. Jahrhunderts spielt, von Landnahme und Widerstand gegen die Feudalgesellschaft handelt und dabei vor allem seinen zentralen Helden lernen lässt 

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Mitte des 18. Jahrhunderts ruft Frederik V., König von Dänemark, zur Zähmung der Jütländer Heide auf. Die Heide gilt als unfruchtbares Ödland, als Heimat von Wolfsrudeln und Räuberbanden, und keiner mag dem Aufruf des Königs folgen. Keiner außer dem ehemaligen Hauptmann der königlichen Armee, Ludvig Kahlen. Der pensionierte Soldat nimmt, auf eigene Kosten, die Herausforderung zur Kultivierung der gefährlichen Brache an, weil er hofft, sich solcherart Verdienst zu erwerben; er will einen Adelstitel und ein Anwesen mit Bediensteten, er will gesellschaftliche Anerkennung. Und so macht Kahlen sich 1755, unter dem unverhohlenen Spott der Höflinge, die an ein Gelingen nicht glauben, auf den Weg und trifft sein Schicksal.

Der im vergangenen Jahr mit dem Dänischen Filmpreis als bester Film ausgezeichnete »King's Land« von Nikolaj Arcel trägt im Original den Titel »Bastarden«, womit der Schwerpunkt von den Besitzverhältnissen hin zum Hauptakteur verschoben ist; erst im Zusammenwirken von Hoheitsgebiet und Außenseiter, von Land und Charakter, erschließt sich die ganze Tragweite der vor dem Hintergrund von Ständegesellschaft angesiedelten Handlung. Ludvig Kahlen ist der Bastard-Sohn eines mutmaßlichen Landedelmannes. Die Implikationen dieser unreputierlichen Abstammung finden ihren Widerhall zum einen in der Verachtung, die Kahlen von Vertretern höherer Stände entgegengebracht wird. Zum anderen in der Geschichte seiner Magd, Ann Barbara, deren Unglück nicht zuletzt daher rührt, dass sie sich dem Zugriff ihres Lehnsherrn entzogen hat, der seine weibliche Dienerschaft routinemäßig vergewaltigt. Ebenjener Frederik De Schinkel beherrscht die an die Heide angrenzende Gegend buchstäblich nach Gutsherrenart. Und er sieht mit dem Neuankömmling seine Macht bedroht. Es entwickelt sich ein erbitterter Kampf zwischen dem sadistischen Gutsherrn und dem sturen Neuankömmling; vor einer erhaben kargen Landschaft, die Kameramann Rasmus Videbæk mit großer Sensibilität für das aufregende Leben, das das Licht in ihr führt, in Szene setzt.

Das Drehbuch, das Nikolaj Arcel gemeinsam mit Anders Thomas Jensen schrieb, basiert auf dem 2020 veröffentlichten Roman »Kaptajnen og Ann Barbara« von Ida Jessen, der sich auf historisch verbürgtes Geschehen stützt. Die gefeierte Vorlage wurde auch als »nordischer Western« bezeichnet, und freilich erinnert der die Wildnis bezähmende, stoische Einzelgänger an die Männer der Frontier und der Fortgang der Ereignisse insgesamt an die meist blutigen Umstände von Landnahme und Vergesellschaftung. Ein eher konventionelles Historien­epos, könnte man vermuten, wäre da nicht Mads Mikkelsen.

Für seine Darstellung des Hauptmanns, die eine Lektion in mimischer Ausdruckskraft ist, erhielt Mikkelsen im vergangenen Jahr den Europäischen Filmpreis. Zu tun bekommt man es mit einer Figur, die nur sehr wenig redet, ja, für die »wortkarg« eigentlich ein noch viel zu geschwätziges Wort ist. Kahlen hat sich jederzeit vollkommen im Griff, er lässt sich nichts anmerken, er bietet keine Angriffsfläche. Dann aber lagern sich um ihn her weitere Figuren an – die Magd, ein Roma-Mädchen, der Priester – und suchen Schutz. Sie nehmen in Anspruch, was er bietet, und aus einem Unterfangen, das zuvörderst einem konventionellen Begriff von Ehrbarkeit diente, wird mehr und anderes. Und mit diesem Mehr und Anderen steigen in dem Mann unvorhergesehene und ungewohnte Gefühle herauf, die Mikkelsen meist allein mit den Augen ausdrückt, einer allenfalls minimalen Mimik, für die das Wort »beredt« nun wieder fast zu schweigsam ist. Und Mikkelsen ist zu verdanken, dass inmitten aller Wendungen und Winkelzüge der Narration die Studie eines Charakters steht, der einen existenziellen Lernprozess durchmacht. Denn was nutzt es, am Ende alle Ziele erreicht zu haben, wenn eins nach dem anderen zur Unzeit erreicht wird?

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich war sehr enttäuscht, dass der ursprüngliche Filmtitel nicht beibehalten wurde. Denn für mich war der Bastard, dessen der nicht "zur Sippe" gehört, das zentrale Thema dieses Films. Der Film ist, wie ich finde, insofern hochaktuell - er spielt für mich auf die ggw. Situation in Europa an, und wie wir - mal wieder - mit den Bastarden umgehen, mit den "Fremden", die zu uns flüchten, aus der Ukraine und über das Meer. Wahrscheinlich fand der Verleih den Originaltitel nicht besonders verkaufsfördernd, und wahrscheinlich hat er damit sogar recht. Immerhin wird dieser Titel am ANfang und Ende des Filmes groß eingeblendet. Bastarde sind offensichtlich immer noch gefürchtet. Schade, dass dieser Aspekt dem Rezensenten nicht so wichtig war. Vielleicht muss man selber ein Bastard sein, um das zu bemerken.

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