Kritik zu Erlösung
Interessantes Thema, knapp verfehlt: In Kommissar Mørcks drittem Fall geht es um eine rätselhafte Kindesentführung
Man müsste sich über die Titel echauffieren, diese großspurigen, biblischen Substantive, die sehr viel andeuten, im Grunde aber kaum etwas erzählen. »Erbarmen«. »Schändung«. »Erlösung«. Man müsste kritisieren, dass es sich um freie Erfindungen handelt, die nichts, aber auch nichts mit den Originalen zu tun haben. »Verachtung«. »Erwartung«. »Verheißung«. Aber man könnte auch einfach der Marketing-Abteilung des Deutschen Taschenbuch Verlags zu ihrem perfekten Gespür für die Bedürfnisse der Krimileser gratulieren: Jussi Adler-Olsens Romane über die Ermittlungen des dänischen Sonderdezernats Q landen verlässlich an der Spitze der Bestsellerlisten.
Dem hiesigen Verleih ist es also am allerwenigsten anzukreiden, wenn aus der sympathisch altmodischen »Flaschenpost von P« eine dröhnende, ziemlich beliebige »Erlösung« wird. Und der Verfilmung selbst natürlich auch nicht. Die konzentriert sich ganz darauf, das Serielle zu betonen und den Grundton der beiden Vorgänger beizubehalten, jene eigenwillige Mischung aus Weltschmerz und Sarkasmus, Thrill und Kontemplation, Realismus und starkem Tobak.
Die Spur führt diesmal ins triste dänische Hinterland, genauer gesagt nach Jütland, wo sich für Kommissar Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas) und seinen syrischstämmigen Kollegen Assad (Fares Fares) die Linien eines jahrealten Falls und einer brandaktuellen Entführung auf überraschende Weise kreuzen. Wie damals verhalten sich die Eltern der verschwundenen Kinder höchst seltsam: Sie melden ihre Zöglinge nicht als vermisst und verweigern die Kooperation mit der Polizei. Dahinter steckt ein dunkles Gebräu aus sturer Provinzialität und strengem Glauben; die Familien sind Mitglieder einer freikirchlichen Gemeinde.
So dreht sich fast alles ums Thema Religion. Mehr und mehr sehen sich die Polizisten im Lauf ihrer verzwickten Recherche dazu veranlasst, auch die eigenen Positionen zu verhandeln. Dabei offenbaren sich die krassen Gegensätze zwischen den beiden Männern. Mørck, gezeichnet von den Verletzungen und Verlusten der ersten beiden Fälle, ist der Inbegriff des nüchternen Atheisten, zutiefst pessimistisch und dabei physisch wie psychisch am Anschlag. Assad hingegen glaubt an das Gute im Menschen, er verkörpert den moderaten Gläubigen und Sinnsucher, der sich gegen Mørcks deprimierende Weltsicht wehrt.
Die erstaunlich nachdenklichen Gespräche des Duos bilden mit ihrem klugen Abwägen einen angenehmen Kontrapunkt zu den von Hans Petter Moland (»Einer nach dem anderen«) allenfalls routiniert inszenierten Krimiszenen. Sie verleihen dem Film eine Tiefe, die die recht krude und schamlos aus bekannten Versatzstücken zusammengeschusterte Story ansonsten vermissen lässt. Besonders die Figur des »Missionars« Johannes, von Pål Sverre Hagen immerhin mit beachtlicher Eisigkeit ausgestattet, wirkt arg konstruiert und weder in psychologischer noch in logistischer Hinsicht besonders glaubwürdig. Er wird dem Zuschauer schon früh als Täter offenbart, doch je mehr wir über ihn und seine Hintergründe erfahren, desto belangloser gerät die so protzig angekündigte »Erlösung«.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns