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Gerhard Midding

Die Schönheit ist im Kino nie unschuldig. Sie überstrahlt, was sie umgibt. Sie besitzt eine Macht, die alles Andere verdrängen, ausradieren kann. Nicht einmal zu denen, die sie besitzen, ist sie gerecht. Man unterschätzt sie gern, spricht ihnen andere Tugenden ab: als sei die Schönheit eine eifersüchtige Gabe, die neben sich weder Klugheit noch Talent duldet.

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Für sie bemaß sich der Wert eines Films vor allem an seinem Thema. Der Gehalt war ihr wichtig. Bewegte Schicksale vor bewegtem historischem Hintergrund interessierten sie. Nicht von Ungefähr ist eine der lebhaftesten Kinoerinnerungen, die ich mit ihr verknüpfe, der gemeinsame Besuch einer Wiederaufführung von Vom Winde verweht.

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Bei ihm geht es meist ums Ganze. Das Schicksal der Welt steht auf dem Spiel. Das war für uns Außenstehende in den letzten Jahren ein Schauspiel, an dem wir keine ungetrübte Freude haben konnten. Als Kind, das vertraute er vor langer Zeit einem befreundeten Journalisten an, hegte er globale Rettungsphantasien. Er entwickelte ein Pensum von Ritualen, die er jeden Abend vor dem Schlafengehen absolvierte: in der Hoffnung, die Welt vor der atomaren Auslöschung zu bewahren. Diese ist bislang ausgeblieben.

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Hier zu Lande wäre so etwas undenkbar - Oder können Sie sich eine deutsche Tageszeitung vorstellen, auf deren Titelseite ein Szenenfoto aus einem Schwarzweißwestern zu sehen ist, der vor fast 70 Jahren gedreht wurde? Das würde keine Chefredaktion durchgehen lassen, die sich dem Diktat der Aktualität und politisch-gesellschaftlichen Relevanz verpflichtet fühlt.

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Vor einigen Tagen besuchte ich eine Veranstaltung, bei der mich das Publikum mehr interessierte als das, was ihm an diesem Abend geboten wurde. Den Termin hatte ich mir schon lange in meinem Kalender notiert: In der Berliner "Urania" wollte ich einen Vortrag zum Thema "Laurel & Hardy und die Kunst der Zerstörung" hören. Unter dem Motto "Lachen mit Stan und Ollie" hatte offenbar schon im Frühjahr eine ähnliche Veranstaltung beträchtlichen Erfolg.

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An London, das erzählt er oft, faszinierte ihn, dass ganze Straßen einem einzigen Gewerbe gewidmet sind. In der Tat, wo sonst in Europa findet sich diese Konzentration an Herrenausstattern wie in der Savile Row oder Hemdenschneidern wie in der Jermyn Street? Den jungen Fotografen Wolfgang Suschitzky interessierte in den 1930er Jahren jedoch besonders die Charing Cross Road, die Magistrale der Buchhandlungen und Antiquariate.

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Die Zukunft ist das unkalkulierbare Kapital, die Wette, die das Kino ständig eingehen muss. Es ist ja nicht einmal gewiss, ob man es in ein paar Jahren überhaupt noch Kino nennen darf, weil die bewegten Bilder womöglich an ganz anderen Orten laufen. Darüber macht sich natürlich auch die Deutsche Filmakademie Gedanken. Gestern hat sie eine Veranstaltungsreihe unter dem Titel "In weiter Ferne – so nah" eröffnet, deren Logo das Foto eines US-Kinos zeigt, an dessen Brandmauer ein großes For-Sale-Schild prangt. Das wirkt erst einmal wie ein reichlich defätistisches Vorzeichen.

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In den letzten Tagen und Wochen hat sich hier zu Lande wohl jeder, der das entsprechende Alter hat, darüber Gedanken gemacht, was er vor 25 Jahren erlebt bzw. getan hat und was ihm durch den Kopf ging. Auch ich habe einigermaßen präzise, wenngleich bemerkenswert irrelevante Erinnerungen an den Herbst 1989. Den Abend des Mauerfalls verbrachte ich im alten Arsenal-Kino in der Welser Straße.

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Die Bäckerei des Viertels, in dem ich regelmäßig in Paris unterkomme, ist bekannt für ihre Croissants und hat in Patisserie-Wettbewerben schon manchen siebten oder achten Platz belegt. Ich habe sie erst mit einigen Jahren Verspätung entdeckt, hole das das Versäumnis aber nun durch tägliche Einkäufe nach. In der letzten Woche fiel mir beim Schlangestehen ein Brot auf, das als „Le Pain de 14“ in den heiteren Farben der Trikolore beworben wurde. Auf meine Anfrage erläuterte die Verkäuferin, es sei eine Kreation aus Anlass des 100. Jubiläums des Großen Krieges.

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Ich traute meinen Augen. Er war keine Erscheinung. Das war tatsächlich Jean-Pierre Léaud, der da am Eingang der Francois-Truffaut-Ausstellung in der Cinémathèque francaise saß. Der Museumswächter, der meine Karte abriss, hatte wohl einen Stuhl für ihn herbeigeholt. Still saß er in der Ecke, suchte den Blick der Besucher; zweifellos in der Hoffnung, wiedererkannt zu werden. Immerhin ist er eine der Hauptfiguren dieser Lebens- und Werkschau, ist in Filmausschnitten und auf Fotos als kleines Kind, als Heranwachsender und schließlich als Erwachsener mit untilgbar kindlichen Impulsen zu sehen.