Film des Monats April: »Quiet Life«

© Wild Bunch

Die Jury der Evangelischen Filmarbeit empfiehlt

Katia möchte »Astrid« heißen, wenn der Asylantrag ihrer Eltern in Schweden anerkannt wird. Sie singt im Schulchor, und ihre ältere Schwester Alina ist in der Turmspringen-Mannschaft, während die Eltern Natalia und Sergei die zugewiesene Wohnung sauber und die Kinder zum Lernen anhalten. Die Familie ist aus Russland geflohen. Als Zeugin für die Misshandlung Sergeis durch den russischen Staatsapparat wollten die Eltern ihre kleine Tochter Katia nicht benennen. Denn sie sorgen sich, dass die Anhörung das Mädchen überfordern könnte. Nun wird der Asylantrag der Familie abgelehnt. Als Katia daraufhin in ein Koma fällt, scheidet sie als Zeugin bei der Berufungsanhörung aus. Das Mädchen wird im Krankenhaus behandelt und streng von seiner Familie abgeschirmt. Nur unter Aufsicht dürfen sich die Eltern dem Kind nähern. Gleichzeitig proben sie mit ihrer Tochter Alina die Zeugenaussage, die Katia hätte machen sollen. Können sie als Familie in einer erbarmungslosen Bürokratie und einem ebenso effizienten wie unerbittlichen Gesundheitssystem überleben?

Alexandros Avranas schuf mit »Quiet Life« einen bewegenden Film über die Folgen von Flucht und zerstörten Hoffnungen bei Kindern. Weil sich die Hoffnung auf ein ruhiges, friedliches Leben in einem freien Land zerschlägt, fallen Kinder ins Koma. So surreal das zunächst erscheint, so nah bleibt der Regisseur an der Wirklichkeit: Denn Katias Koma ist das Symptom einer realen Krankheit. 2014 wurde sie erstmals in Schweden als »Resignationssyndrom« beschrieben und bei Hunderten von Kindern und Jugendlichen diagnostiziert: Sie verfallen in apathische Zustände bis hin zum Koma. Damit die Erkrankten sich daraus lösen können, ist ein emotional stabiles Umfeld wichtig. Die Spannung zwischen dieser medizinischen Notwendigkeit und den Lebensumständen der geflüchteten Familie lotet Avranas mit seinen jungen und erwachsenen Darsteller*innen berührend aus. Formal ist der Film sorgfältig komponiert. Die Grausamkeit der Systemlogik, die es auch in Rechtsstaaten wie Schweden gibt, wird durch die filmisch eher unterkühlte Gestaltung anschaulich: Lange Gänge mit verschlossenen Türen, penibel saubere Krankhausbetten und viel Linoleum schaffen eine dystopische Atmosphäre, in der die Geflüchteten, eine Pflegerin und eine freundliche ältere Dame um Menschlichkeit ringen. Ein eindringlicher Film zu einem aktuellen Thema.

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