Apple TV+: »Silo«

»Silo« (Serie, 2023). © Apple TV+

»Silo« (Serie, 2023). © Apple TV+

Unter Tage

In einer unbestimmten Zukunft ist die Welt, so scheint es, zur postatomaren Wüste geworden. Zehntausend Menschen überlebten. Sie hausen in einem Bunker, der 144 Stockwerke in die Tiefe reicht. Auf den ersten Blick variiert die Apple-TV-Serie »Silo« das Motiv einer konventionellen Dystopie. Showrunner Graham Yost hat mit seiner Adaption von Hugh Howeys Romanreihe den Akzent allerdings etwas verschoben.

Actionelemente und ein Krimiplot verknüpft der Zehnteiler mit einer geruhsamen Erzählweise, die sich auf die minuziöse Betrachtung einer zukünftigen Lebensform konzentriert. Das Silo, in dem die Menschen seit 140 Jahren vegetieren, ist der eigentliche Hauptdarsteller. Die sorgsam durchdachte Ausstattung nimmt Anleihen bei Terry Gilliams Brazil. Flaschengrüne und karminrote Metrofliesen erinnern an das Design der 60er Jahre. Neben vergilbten Papierakten sind Computer im Einsatz, die – origineller Scherz – wie frühe Apple-Macintosh-PCs aussehen. Kommuniziert wird mit alten Walkie-Talkies. Angegraute Betonbrüstungen erinnern an Brutalo-Architektur.

Die Mechanikerin Julia (Rebecca Ferguson) wird als Heldin der Arbeit eingeführt. Als Einzige vermag sie den zentralen Generator, die Lebensader des Silos, am Laufen zu halten. Nach ihrer Ernennung zum Sheriff dauert es eine Weile, bis die Serie nach einer Krimiepisode zu ihrem Grundthema zurückkehrt: der Frage nach der Wahrheit. Gab es überhaupt Kriege oder ökologische Katastrophen? Niemand im Silo weiß es. Aufzeichnungen über die Vergangenheit wurden vernichtet. Der heimliche Blick in ein Kinderbuch, das blühende Landschaften zeigt, ist für einen der Gesetzeshüter so schockierend, dass er es verbrennen muss.

Die Apple-Produktion wurde als vertikale Version von »Snowpiercer« bezeichnet. Doch der Klassenkampf, den Bong Joon-ho im ewig dahinrasenden Expresszug comicartig überspitzt, spielt in »Silo« kaum eine Rolle. Gewiss, es gibt eine an Orwells »1984« erinnernde Totalüberwachung und eine rigide Geburtenkontrolle. Tim Robbins als bürokratischer Chef und Rapper Common als seine rechte Hand verkörpern aber anscheinend eher besorgte Verwalter als brutale Unterdrücker. Diskriminierte Ethnien gibt es in dieser betont diversen Welt nicht mehr. Die Bunkerbewohner leiden unter der gefängnisartigen Beschränkung und der auf Nachhaltigkeit bedachten Mangelwirtschaft unter Tage nur bedingt. Es kann ja – und das ist der zentrale Aspekt – jeder jederzeit raus.

Zu Beginn werden zwei Abtrünnige rituell exkommuniziert. Vom Cafeteria-Bildschirm aus verfolgen die Bewohner des Silos gebannt, wie sie im Raumanzug die Außenwelt betreten. Nach wenigen Schritten brechen sie zusammen. Ist ihr Tod der Beweis für den notwendigen Verbleib im Silo? Oder ist das Ganze nur eine Inszenierung, die den Menschen Sand in die Augen streut? Die Schlusspointe bürstet alle Erwartungen gegen den Strich. Eine zweite Staffel wird gerade gedreht.

OV-Trailer

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