DVD-Tipp: »The Innocents«
Auf dem Cover des schönen Mediabooks steht die Welt kopf. Ein modern nüchterner Mietshausriegel wächst vom Himmel herab, davor hängt ein kleines, blondes, skandinavisches Mädchen in Shorts und T-Shirt liegend auf einem Lastwagenreifen. Es ist ein merkwürdig steriles, beunruhigendes Bild, in dem Geheimnisse nisten.
Eintauchen in die Welt und in die Wahrnehmung der Kinder, andocken an ihre geheimen Kräfte. Nur scheinbar böse und grausam sind sie in Wirklichkeit einfach nur neugierig und experimentierfreudig, was für die Erwachsenen aber auch zum reinen Horror werden kann. Eskil Vogt, Drehbuchautor von Joachim Triers berührendem Beziehungsfilm »Der schlimmste Mensch der Welt«, hat nach »Blind« zum zweiten Mal einen Spielfilm inszeniert, in dem Menschen ihre Hilflosigkeit mit fantasievollen Experimenten kompensieren. Im Audiokommentar erzählt er, wie diese Wahrnehmung mit seinen eigenen Kindheitserinnerungen zusammenhängt und wie er diesen Kindersommer vor und mit der Kamera zu neuem Leben erweckt hat. Kameramann Sturla Brandth Grøvlen geht ganz nah an die vier Kinder im Alter von sieben bis elf heran und taucht tief in ihre Wahrnehmung der Welt in einem norwegischen Sommer ein. Zugleich zeigt er sie in der hellen Weite ihrer Umgebung, in den Wohnungen des Mietshauses, auf dem Spielplatz davor und im angrenzenden dunklen Wald. Es passiert wenig in diesem Film, doch umso intensiver wird es wahrgenommen, es fallen wenig Worte, Kommunikation findet in stiller Übereinkunft über Blicke und Gesten statt, vor allem mit Anna, der autistischen älteren Schwester von Ida. Die schrecklichen Kinder sind keine Täter, sondern Opfer der Umstände und ihrer Kräfte, Gefühle von Hilflosigkeit, Angst und Wut verselbstständigen sich. Die Schwächsten und Unschuldigsten werden zu den Stärksten und Durchtriebensten, zur unheimlichen Kraft in einem subversiven Horrorfilm, der sich fast ausschließlich in hellem Licht abspielt.
VÖ: 29. Juli 2022
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