Buch-Tipp: Queer Cinema Now

Politik & Schönheit

Lange blühten die Filme des Queer Cinema im Verborgenen, in den verheißungsvollen Schmuddelecken am Rande von Mainstream und Arthouse. Umso schöner, dass die regenbogenbunte Vielfalt jetzt in so einem Prachtband gefeiert wird, in luxuriösem Großformat, in edel mattschwarzem Hardcover mit schillerndem Titelschriftzug. Mehr als 200 Filme auf 352 Seiten, in liebevoll zugewandten Texten, mit zum Teil großformatigen Fotos, wie sie in deutschen Filmbüchern selten geworden sind, ermöglicht durch die Mittel der Neustart-Kultur-Förderung. Mit seiner Vielzahl an Stimmen ist das Buch eine Hommage an die Möglichkeiten des nicht heteronormativen Erzählens und zugleich eine Liebeserklärung an das »Sissy«-Magazin, das diese Filme selbstbewusst, lustvoll und funkelnd begleitet, kommentiert, interpretiert, mit Kritikern aus der Szene und weit darüber hinaus, zunächst gebündelt im dreimal jährlich gedruckten Magazin, seit November 2016 aktueller und unmittelbarer online unter sissymag.de.

 »Queer Cinema Now«: Es hat sich  viel getan seit Ang Lee 2005 drei Oscars holte – für zwei schwule Cowboys in dem etwas anderen Western »Brokeback Mountain«. Seitdem haben sich immer mehr Stars wie Cate Blanchett, Julianne Moore, Sean Penn, Colin Firth, Armie Hammer und Michael Douglas ins Offene gewagt, in Filmen wie »Carol«, »Freeheld«, »Milk«, »A Single Man«, »Call Me By Your Name« und »Liberace«, und damit für mehr Interesse und Aufmerksamkeit gesorgt. Doch in der Kritik wurde die Queerness der Filme oft eher heruntergespielt als analysiert. »Was fehlte also generell in der Berichterstattung über das queere Kino?«, fragen die Herausgeber Jan Künemund und Christian Weber im einleitenden Vorwort: »Eine Sensibilität, ein Auge für den Reichtum an Formen, Geschichten, flammenden Bildern und brennenden Erfahrungen!« Sie stellen fest: »In den meisten >Hetero-Medien< fehlte es an Diversitätsbewusstsein und in vielen >Queere-Szene-Medien< oftmals am Interesse für das Kino und seine Sprache.« Im »Sissy«-Magazin wurde das anders, hier waren die Rezensent*innen nicht in erster Linie kritisch, sondern vor allem neugierig und wachsam für Nuancen. Die Vielfalt der 211 besprochenen Filme und 56 Kritikerstimmen lädt zum Schmökern ein. Neben Klassikern und berühmten Playern der Szene wie Xavier Dolan, ­Pedro Almodóvar, Gus Van Sant und Céline Sciamma gibt es unbekanntere Perlen zu entdecken wie »Tangerine L.A.« von Sean Baker, »Girl« von Lukas Dhont oder »Siebzehn« von Monja Art: Naturgemäß ist der Anteil der Coming-of-Age-Filme groß, und die Texte spüren den feinen Schwingungen der Identitätssuche behutsam nach.

 


B. Koll, J. Künemund, Chr. Weber (Hg.): Queer Cinema Now. Die wichtigsten nichtheteronormativen Filme aus 12 Jahren sissy. Salzgeber Buch, 2022, 352 S., 50 €.

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