Kritik zu Siebzehn
Coming-of-Age mit Coming-out: Monja Art erzählt in ihrem Spielfilmdebüt auf angenehm selbstverständliche Art von den Verwirrungen der Gefühle in einer Teenagerschulklasse auf dem österreichischen Land
Oh, wie schrecklich ist doch das Leben mit siebzehn! Und wie wunderbar! Eine beunruhigende Zeit voll Möglichkeiten und Hoffnungen, Zweifel und Unsicherheiten. Was will man selber? Was wollen die anderen? Wie lässt sich beides vereinbaren? Die flirrenden Unsicherheiten des jugendlichen Lebensgefühls hat Monja Art schon in ihren Kurzfilmen »Rot« und »Juli« ausgelotet, und ihre Dokumentation »Forever Not Alone«, die auf der Internet Movie Data Base als Film »über Freundschaft, erwachende Sexualität, erste Liebe, Träume, Hoffnung, über Loslassen und Neuanfang« beschrieben ist, könnte man wohl als vorbereitende Recherchearbeit für diesen ersten langen Spielfilm sehen. Denn die flüchtigen und in alle Richtungen offenen Gefühle der Jugend lassen sich nicht zwingen. Um sie so wahrhaftig einzufangen wie hier, braucht es ein feines, durchaus dokumentarisches Gespür, und womöglich hilft es auch, wenn man selbst noch nicht alle Verbindungen zu den Teenagerjahren gekappt hat. Der Ort, die Zeit und die Konstellationen bergen vermutlich gewisse autobiografische Komponenten, die sich mit Monja Arts wachsamem Blick für die Schwingungen unter den jungen Darstellerinnen verbinden, wofür die Regisseurin und ihre Hauptdarstellerin Elisabeth Wabitsch im Januar auf dem Max-Ophüls-Festival ausgezeichnet wurden.
Es sind die letzten Wochen vor der Sommerpause, in denen Schulmüdigkeit und Ferienvorfreude diese ganz besondere Atmosphäre schaffen, irgendwo auf dem Land in Niederösterreich, wo die Sehnsucht nach der weiten Welt mit der Heimeligkeit des Vertrauten kollidiert. Diese Mischung aus bleierner Stagnation und verzweifeltem Bewegungsdrang, die man sonst vor allem aus amerikanischen Filmen kennt, wird hier fast beiläufig eingefangen. Meist hängt die siebzehnjährige Paula (Elisabeth Wabitsch in ihrer ersten Kinorolle) mit ihren beiden besten Freunden Katrin und Marwin herum. Doch während des Unterrichts wirft sie immer wieder flüchtig verstohlene Blicke quer durch die Bankreihen zu ihrer Freundin Charlotte, Blicke, in denen mehr steckt als nur ein alltäglicher Kommentar zum Schulalltag.
Es ist schön, wie wenig Aufhebens der Film davon macht, dass sich hier ein Mädchen für ein Mädchen interessiert, was auch damit zu tun hat, dass ohnehin noch nichts in Stein gemeißelt ist. Eifersüchtig nimmt Paula zur Kenntnis, dass Charlotte einen Freund hat. Was sie nicht sieht, ist, dass auch deren Blicke immer wieder suchend in ihre Richtung wandern. Wie zur Ablenkung lässt sie sich auf die Avancen eines Mitschülers ein, und dann auch noch auf das ziemlich aggressive Werben eines anderen Mädchens, wodurch die Verwirrung der Gefühle sich immer noch mehr steigert. So eröffnet sich in Klassenräumen und Mädchenzimmern, in der obligatorischen Dorfdisco und gelegentlich auch unter freiem Himmel zwischen leisem Flirt und forscher Anmache eine wechselhafte Dynamik des Begehrens, ein Coming-of-Age, in dem das Coming-out keine große Sache ist.
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