Amazon: »Catherine, Lady wider Willen«
Wie ein Brummkreisel surrt Catherine durch die kleine Welt eines Dorfes, das ihrem Vater, einem Lord, untersteht. Catherine, genannt Birdy, ist eine Adelige, doch meistens treibt sie sich mit ihrem Freund Perkin, einem Ziegenhirten, und dem Milchmädchen herum. Das Sich-im-Schlamm-Wälzen zieht sie allemal dem Unterricht am Webrahmen vor, und noch lassen ihre Eltern sie in ihren wilden Spielen gewähren. Dann fängt Birdy an zu bluten. Das bedeutet nicht nur, dass sie fortan mit »einer roten Woche« pro Monat rechnen muss; sie ist jetzt mannbar. Und die aufgeweckte 14-Jährige, die routinemäßig an Türen lauscht, weiß nur zu gut, dass sie von ihrem Vater, der das Familienvermögen verprasst hat, als letzte Ressource betrachtet wird. »Hast du noch alle Zähne?«, fragt er sie auffällig unauffällig, was Birdy aus dem Off mit »Er betrachtet mich wie einen Zuchtbullen« kommentiert. Sie weiß, dass sie gut verheiratet werden muss, setzt jedoch ihren ganzen Einfallsreichtum ein, um Zeit zu schinden.
Willkommen im Mittelalter à la Lena Dunham. Der erste Film der multitalentierten Künstlerin, der sich nicht um Sex und Selbstfindung von College-Absolventinnen dreht, ist eine Adaption des Jugendbuchs »Catherine, Called Birdy« von Karen Cushman. Die Komödie weist trotz des rustikalen Landvolks und des Jahres 1290 Ähnlichkeiten mit jenen urbanen Mumblecore-Dramoletten auf, die Lena Dunham in den USA zur feministischen Ikone machten. Das Amüsement entsteht einerseits aus dem Bruch zwischen dem unzeitgemäß coolen Umgangston, den Vater Rollo, ein liebenswürdiger, aber luschiger Typ, und seine Familie pflegen, und den harschen Sitten. Birdy, die ihre sorgsam gefalteten Monatsbinden versteckt und Freier konsequent vergrault, hat zwar die väterlichen Züchtigungen für ihre Aufsässigkeit eingepreist. Die Dauerschwangerschaft der Mutter, die bereits mehrere blutige Fehlgeburten hinter sich hat, ist aber ein steter Sorgenquell für das Mädchen.
Die Anachronismen – so werden die Figuren etwa durch eingeblendete Zwischentitel vorgestellt – erinnern an den Witz der Monty Pythons und manchmal an die Kultkomödie »Die Braut des Prinzen«. Die umtriebige Heldin wird ganz wunderbar von »Game of Thrones«-Entdeckung Bella Ramsay verkörpert. Birdy kämpft nicht nur für Gleichberechtigung, wenn sie lauthals beklagt, was sie als Mädchen alles nicht darf: laut lachen, Bier trinken in der Kneipe, Hinrichtungen besuchen. Ganz abgesehen von der Zwangsheirat, die auch ihrer Freundin blüht. Sie ist außerdem ein enervierendes Gör, das je nach Stimmungslage alle Welt vor den Kopf stößt. Mal will sie, angeregt von der Lektüreempfehlung ihres Bruders, eines Mönchs, Heilige werden (die grausamen Todesarten haben es ihr angetan), auf Gebäck verzichten, barfuß gehen. Dann befällt sie rasende Eifersucht, wenn ihr vom Kreuzzug heimgekehrter cooler Onkel Edward sich verliebt.
Und wenn Ramsay als Wildfang Catherine mit Brio diese emotionale Achterbahn befährt, wirkt sie ein bisschen wie eine Urahnin der Regisseurin selbst. Lena Dunham ist als Autorin, Filmemacherin und Medienpersönlichkeit eine Klasse für sich. Schon während ihres Kunststudiums wurde sie durch provozierende Videosketche bekannt. Zum Star stieg sie mit der Serie »Girls« auf, einer raubauzig-juvenilen Variante von »Sex and the City«, und, weil sie sich öfter mal den Mund verbrennt, auch zur Hassfigur. Dunhams exhibitionistische Ader, der Drang, jede Delle und Neurose zu entblößen, ist im Ansatz auch in der Verfilmung spürbar. Dennoch ist Birdy wie Dunham eine Drama Queen, die in ihrer pubertären Egozentrik punktgenau weibliche Ängste und Verstörungen widerspiegelt. Das Gelungenste an dieser ungestümen »Éducation sentimentale« ist aber, wie Dunham es am Ende über sich bringt, ihr Markenzeichen, den schlagfertigen, selbstironischen Witz, beiseitezuschieben und ihrem Enfant terrible ein herzerwärmendes Happy End zu gönnen.
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