Nahaufnahme von Glen Powell
Glen Powell in »A Killer Romance« (2023). © Brian Roedel / Courtesy of Netflix
Glen Powell schickt sich an, der neue fesche Held im Filmbusiness zu werden – demnächst kann man ihn in gleich zwei großen Produktionen sehen. Im Geschäft ist er aber schon länger
Ist dieser Schauspieler »carygrantesk«? Dem Texaner Glen Powell wird jedenfalls die Wiederbelebung des Liebeskomödiengenres und zugleich einer bereits ad acta gelegten Maskulinität zugetraut. Im Januar 2024 lief auch bei uns die romantische Komödie »Wo die Lüge hinfällt« an und machte an der Kinokasse so wenig Eindruck wie bei der Kritik, deren Urteil sich mit »eher doof« zusammenfassen lässt. Weltweit aber spielte der Film, dessen Handlung vom Shakespeare-Stück »Viel Lärm um nichts« inspiriert ist, über 200 Millionen Dollar ein: ein Sleeper-Hit, dessen anhaltender Erfolg via Netflix zunächst Hauptdarstellerin Sydney Sweeney zugeschrieben wurde. Oft im Bikini – Schauplatz ist die australische Goldküste – antretend, sind ihre parodistisch offenherzigen Auftritte so angelegt, dass man ihr nicht als Erstes ins Gesicht schaut. Doch wie im »Barbie«-Film, aus dem Ken als Publikumsfavorit hervorging, richtete sich das Interesse bald mehr auf den um die kurvige Heldin herumschwirrenden Typen. Denn neben seiner Attraktivität – auch er darf seinen durchtrainierten Body vorführen – weist der in Rekordzeit zum Traummann aufgestiegene Schauspieler den Mehrwert jenes selbstironischen, mackenbehafteten Charmes auf, der durchaus an Cary Grants Aura erinnert.
Vielleicht ist dieser Eindruck lediglich einer weiblichen Perspektive geschuldet, und vielleicht wird man bescheiden in seinen Erwartungen. Ein wenig wirkt die Begeisterung für die »Glennaissance« wie nostalgieseliges Wunschdenken. Der Schauspieler, der aktuell in der Krimikomödie »A Killer Romance« und demnächst im Katastrophenfilm »Twisters« zu sehen ist, ist ein Beleg dafür, dass die Natur kein Vakuum duldet. Zu lange schon war der Posten des feschen Helden vakant, was auch dem Mangel an Liebeskomödien, die vorrangig ein weibliches Publikum adressieren, geschuldet ist. Der vielleicht letzte Star mit Frauenschwarm-Qualität war der mittlerweile 44-jährige Ryan »Ken« Gosling. Der in Marvel-Filmen verschwendete Chris Hemsworth oder gar ein androgyner Hänfling wie Thimothée Chalamet können die Lücke nicht füllen.
Anders aber als es seine plötzliche Beliebtheit suggeriert, ist Glen Powell ein alter Hase im Filmbusiness. Bereits mit 13 Jahren trat er vor die Kamera, darunter in Robert Rodriguez' starbesetztem Kinderfilmspektakel »Spy Kids 3D«. Als junger Erwachsener musste der 1988 in Austin geborene Schauspieler hart um Rollen kämpfen. Zu sehen ist er etwa im Familiendrama »Love Stories«, wie meist unter »ferner liefen« in einem Promi-Ensemble, als »Hot Frat Boy«. Also als prototypisch gut aussehender weiß-privilegierter Collegestudent, dem alles zufliegt – und der deshalb in klischeehafter Drehbuchlogik ein Fiesling sein muss.
So vermitteln viele seiner Filme in jenen Jahren – er wurde ins Team sowohl der »Expendables 3« wie auch der »Navy C.I.S.«-Serie aufgenommen – den Eindruck, dass Regisseure den Sonnyboy mit dem Zahnpastalächeln zwar als Hingucker wollten, seine Ausstrahlung aber zugleich verschämt herunterdimmten. Schon der generische Name, Glen Powell, suggeriert überkommene Heldenfiguren. Tatsächlich ist er im unterhaltsamen Historiendrama »Hidden Figures« (2016), das von der allmählichen Anerkennung schwarzer Mathematikerinnen bei der NASA handelt, in einer kleinen, aber entscheidenden Rolle als Astronaut John Glenn zu sehen. Kurz vor dem Raketenstart für seine erste Erdumkreisung besteht dieser darauf, dass das »black girl« Katherine Johnson die Koordinaten für seinen Weltraumflug überprüft. Überhaupt scheint Powell mit seinem Äußeren eines Mannes, der auch als Schaufensterpuppe eine gute Figur machen würde, prädestiniert für Uniformen. Erst 2022 aber bekam er seine erste bedeutende Rolle, im Kriegsdrama »Devotion«, in dem er sich als Koreakrieg-Pilot mit seinem schwarzen Kumpel, dem späteren Kriegshelden Jesse Brown, anfreundet. In den Fokus des großen Publikums geriet Powell jedoch erst – im selben Jahr – in »Top Gun: Maverick« als neues Teammitglied des von Tom Cruise gespielten legendären Kampfpiloten. Powell verkörpert mit »Hangman« einen Draufgänger, ständig auf der Suche nach einem Hahnenkampf, aber letztlich rudelfähig. Tom Cruise gab Powell den Rat, dass er, um voranzukommen, etwas verkörpern müsse, »was jeder, überall auf der Welt, versteht«.
Gut möglich, dass Cruise mit seinem untrüglichen Publikumsriecher ihn zuvor in Richard Linklaters Komödie »Everybody Wants Some!!« (2016) gesehen hatte. Darin gibt Powell den Leitwolf einer College-Stipendiaten-WG von Baseballspielern, die mit Sport, Party, Sex und Quatschen ungeheuer viel Spaß haben und zugleich permanent ihre Kräfte messen. In der distanzierten Beobachtung dieser Rituale geht es auch um den Druck, der auf diesen jungen Typen lastet. Dennoch ergeben Testosteron und verbale Schlagfertigkeit eine zündende Mischung. Jungs halt, hätte man früher gesagt. Linklater verortet sie in den frühen Achtzigern und erinnert sich wie in seinem autobiografisch geprägten Highschool-Kultfilm »Confusion – Sommer der Ausgeflippten« (Dazed and Confused, 1993) erneut mit spürbarer Nostalgie an seine durchsonnte Jugend. Konnten in der damaligen Independent-Teeniekomödie unter anderen Matthew McConaughey und Milla Jovovich ihren Durchbruch feiern, so sticht in der Fortsetzung einzig Glen Powell hervor – als verboten gut gelaunter Aufreißer und instinktsicherer Dampfplauderer, der jedem Mädchen genau das erzählt, was es hören will.
Wo viele Regisseure ihn als Nebenrollen-Schönling besetzen, da lockt Linklater in ihm den charismatischen Witzbold hervor, dessen unbekümmerter Südstaatencharme keine Frau kaltlässt. Wie gut Powell sich über sein Image eines Schwiegermuttertraums lustig machen kann, hatte er zuvor in der rabiaten Horror-Comedyserie »Scream Queens« (2015) bewiesen. In der Serie, die sich um Morde in einer elitären Studentinnenverbindung dreht, gibt er erneut einen »Hot Frat Boy« im geschniegelten Ralph-Lauren-Outfit. Chad Radwell, Präsident einer Golfer-Studentenverbindung und notorisch treulos, führt eine On-off-Beziehung mit der tyrannischen Anführerin der »Chanels«. »Alle wollen mit mir schlafen«, erklärt er ihr in grandioser Selbstgewissheit: die von Jamie Lee Curtis gespielte Unipräsidentin, sein bester Freund und »sogar Zootiere«. Gänzlich schmerzfrei und mit punktgenauem Timing gibt Powell den egozentrischen Trottel, kuschelt mit seinem schwulen Zimmergenossen und einer Ziege und lässt einfältige Sprüche vom Stapel. Mit dieser parodistischen Nummer stieg Powell unversehens zum Teenieschwarm auf.
Vermutlich war die Zeit einfach reif für einen Strahlemann wie ihn. Noch 2018 muss er in der romantischen Komödie »Set It Up« als Alphamann einer New Yorker Investmentfirma erst von der mauerblümchenhaften Heldin vom hohen Ross heruntergeholt werden, bevor er sie lieben darf. In Mike Newells im Nachkriegsengland angesiedelter Romanadaption »Deine Juliet« (2018) zieht er in der Rolle eines US-Diplomaten den Kürzeren, als sich seine Angebetete für einen heimischen Schweinezüchter entscheidet. Das »zu perfekt« ist ihm von Anfang an auf die Stirn gestempelt.
In einem Interview beschreibt Powell, wie durch das Herumgealbere von Chris Hemsworth als Gott »Thor« filmische Heldenfiguren gebrochen und dadurch wieder salonfähig gemacht wurden. So schlug auch die Stunde für Powell, der, mit einer unschlagbaren Kombination aus Attraktivität und Eulenspiegelhaftigkeit, als bloßer Actionnebendarsteller unter Wert verkauft wurde. Von Texaner zu Texaner verpasst ihm erneut Richard Linklater in seinem neuen Film »A Killer Romance« eine passgenaue Hauptrolle als unfreiwilliger Auftragskillersimulant, in der Powell sein komödiantisches Talent in verschiedensten Kostümierungen weidlich ausspielt. Seine lustigste Maskerade ist die des bebrillten, nerdig-unscheinbaren Philosophiedozenten, der durch das Imitieren eines klischeehaften Machogehabes allmählich »hot« wird. Ist er, in seiner unbedrohlichen Männlichkeit, der »erste moderne Filmstar?« fragen US-Journalisten seitdem. Bis jetzt sieht es ganz so aus, als ob Powell im Alleingang jenen klassischen Märchenprinzentypus rehabilitiert, der noch bis vor kurzem im US-Kino als toxisch verpönt war.
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