Kritik zu Twisters
Lee Isaac Chung bringt intime Momente und spektakuläres Wetter-katastrophenspektakel zur perfekten Sommerunterhaltung zusammen
Bekannt wurde Lee Isaac Chung mit dem mehrfach oscar-nominierten Film »Minari«, der intim berührenden Geschichte einer koreanischen Einwandererfamilie, die sich in Arkansas ein Stück Land kauft, um sich ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Hollywood hatte schon immer einen wachsamen Blick für frische Talente, so bekam der US-Koreaner den Zuschlag für eine Neuauflage des Naturkatastrophenfilms »Twister«, der bei seinem Start 1996 von den Kritikern nicht unbedingt euphorisch aufgenommen wurde, kommerziell sehr erfolgreich war und im Laufe der Jahre Kultstatus erlangt hat.
Auf den ersten Blick erscheint Lee Isaac Chung für ein Sommerspektakel wie »Twisters« als überraschende Wahl, aber das Experiment geht auf, weil der Regisseur eine perfekte Balance findet zwischen intimen Momenten und spektakulärer Naturgewalten-Action, zwischen Leichtigkeit und Tiefe, zwischen Komik und Ernst. Zugleich ist »Twisters« auch eine Hommage an die Kinoerfahrungen, die Lees Kinoleidenschaft entzündet haben. Schon der Titel ist klasse, einfach nur Plural statt Singular, in einem Film, der weder Sequel noch Prequel ist, sondern lediglich mit neuem Personal an die erprobten Komponenten andockt.
Gegensätze ziehen sich an. So wie die Dynamik der Naturgewalten funktioniert auch die Attraktion im Herzen des Sturms: Hier die ernste Kate (Daisy Edgar-Jones), die traumatisiert ist, seit sie ihre abenteuerliche Zeit als jugendliche Stormchaserin teuer bezahlen musste, mit dem Tod dreier Sturmgefährten in einem Tornado, den sie selber nur knapp überlebte. Seitdem hat sie ihre Leidenschaft heruntergedimmt, statt der Feldforschung in Oklahoma arbeitet sie distanziert am Bildschirm in New York.
Fünf Jahre später lässt sie sich widerwillig auf eine Rückkehr an die Sturmfront ein, und trifft dort auf Tyler Owens (Glen Powell), der die Stürme konfrontiert wie ein Rodeoreiter den Stier, begleitet von einem buntem Trupp in aufgerüsteten Beast-Trucks, die sich mit riesigen Schrauben im Boden festdrillen lassen. Breitbeinig, mit Cowboyhut, Riesenego und strahlendem Grinsen ist Powell zugleich abstoßend und verführerisch und hat genau diese Wirkung auch auf Kate.
Citygirl und Influencer-Cowboy, das sind die Labels, die sie sich gegenseitig verpassen, doch die Attraktion ist stärker, fordert beide heraus, ihre Vorurteile zu revidieren. Wenn sie sich, zunächst abschätzig, dann zunehmend interessiert, austesten, fliegen die Funken zwischen Daisy Edgar Jones und Glen Powell, und es ist schön, dabei zuzuschauen, wie sie erst kampflustig und zunehmend flirtend in den Clinch gehen, so ähnlich wie Cary Grant und Katherine Hepburn in Leoparden küsst man nicht, nur mit vertauschten Rollen. Lee Isaac Chung schafft die perfekte Balance zwischen Blockbuster-Action-Thrills und den echten Gefühlen und Beziehungen, um die es schon in »Minari« ging. Mit seinen immer häufigeren und heftigeren Tornados kommentiert »Twisters« natürlich auch das Fortschreiten des Klimawandels seit 1996, ganz ohne erhobenen Zeigefinger, aber doch sehr deutlich.
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