Kritik zu Deine Juliet

© Studiocanal

Mike Newell verfilmt einen Romanbestseller über das Nachkriegs­leben auf der Kanalinsel Guernsey

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Der Kartoffelschalenauflauf ist ungenießbar, und doch servieren die Mitglieder eines Buchclubs das aus der Not entstandene Mahl auch noch nach dem Krieg. Tradition bleibt Tradition, auch wenn sie nur fünf Jahre alt und inzwischen ein selbst auferlegtes Ritual ist. Das gemeinsame Kartoffelschalenauflaufessen, mit dem sie der Hungersnot entkamen, hat sich zur mentalen Bewältigungsstrategie und zum Zeichen des Zusammenhalts gewandelt. In seiner Verfilmung des Briefromans von Mary Ann Shaffer schwingt sich Regisseur Mike Newell mit gewohnter Eleganz auf die provozierende Umständlichkeit des Originaltitels, »The Guernsey Literary and Potato Peel Society« ein. Schließlich handelt die Geschichte von selbst geschaffenen Überlebensstrukturen und von dem in zwei gemächlichen Filmstunden ausgebreiteten Prozess, den verästelten Wurzeln dieser Strukturen auf die Spur zu kommen. Dies obliegt Juliet, einer Londoner Schriftstellerin, die sich im Jahre 1946, überschattet von der Trauer über ihre im »Blitz« getöteten Eltern, nicht der allgemeinen Aufbruchsstimmung anschließen kann. Juliet hat mit lustigen Geschichten über einen Alltagshelden gutes Geld verdient, ihr amerikanischer Verlobter liegt ihr zu Füßen, allerorts ­werden Trümmer weggeräumt. Doch statt ihren Erfolg zu genießen, widmet sich Juliet dem Brief eines Unbekannten aus Guernsey. Mit fortschreitender Korrespondenz mit dem Schreiber, der sich als Schweinefarmer entpuppt, wird sie immer neugie­riger auf die Geschichte des Buchclubs, dem Dawsey angehört.

Alle Verpflichtungen hinter sich lassend, reist sie auf die Kanalinsel und trifft eine Handvoll Menschen, die einst den deutschen Besatzern mit heimlichem Schweineschlachten, Gin brauen und der Gründung des Buchclubs Schnippchen geschlagen haben und nun nicht mehr ohne das Lesen und das Reden über Literatur sein können. Sie sind von dem Besuch entzückt, halten Juliet aber auf Distanz und reagieren auf ihre Fragen nach der ab­wesenden Gründerin Elizabeth mit bedrücktem Schweigen.

Nicht immer entkommt die Inszenierung dem Kitsch. Die Love Story ist dünn, die zentrale Figur der Elizabeth wird zur Heiligen hochstilisiert und das Happy End ist überzuckert. Andererseits setzt Newell (»Vier Hochzeiten und ein Todesfall«) die sich abzeichnenden Tragödien ansprechend dezent ins Bild. In Rückblenden entsteht ein Inselmikrokosmos zwischen Idylle und Grauen, in dem auf zwei Einwohner ein deutscher Soldat kam und sich die Grenzen zwischen Freund und Feind, Gut und Böse verwischen.

Dies ist auch ein effizienter Ausstattungsfilm, dessen pittoreske Bilder ein »Hach!« hervorrufen und doch mehr als nur dekorativen Zwecken dienen. Vor allem aber ist Juliet eine unerwartet emanzi­pierte Heldin, verletzlich und doch unbeirrt ihren Instinkten folgend. Und dabei trotz allen Herzschmerzes vom Hütchen bis zum Schühchen so scheinbar absichtslos perfekt gekleidet, wie es nur britische ­Kostümdesigner hinbekommen.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ein ungewöhnlich langer Titel, der fast zum Zungenbrecher gerät, für einen niveauvollen Plot. Auf der Kanalinsel Guernsey besteht ein Kreis von literarisch interessierten Insulanern, die sich regelmäßig treffen. Und das während des zweiten Weltkrieges, als die Insel von der deutschen Wehrmacht besetzt war. So musste man es heimlich tun. Vor allem, weil es immer etwas zu essen und zu trinken gab und Nahrungsmittel waren streng rationiert, wie man dem Titel entnehmen kann (Kartoffelschalenauflauf! Nur Reste und Abfälle!).
Die Journalistin Juliet (Lily James) reist nach dem Krieg nach Guernsey, um über den sonderbaren Club (Titel!) zu berichten. Jetzt teilt sich die Handlung in drei Richtungen, die Regisseur Mike Newell gut portioniert hat: es geht zunächst um Literatur (1). Hier sei nur das Buch des Ehepaares Charles und Mary Lamb erwähnt, das die Dramen von Shakespeare für Kinder nacherzählt hat. Ein echter Klassiker, den es wirklich gibt. Immer wieder eingeblendet historische Dokumentationen über die bösen Nazi-Besatzer sowie die Résistance gegen sie (2). Und als emotionalem Überbau – (3) eine Love-Story. Drei Männer streifen Juliets Weg: Sidney (Matthew-Brideshead-Goode), ihr Verleger; Mark (Glenn Powell), mit dem sie sich sogar verlobt und der Farmer Dawsey (Michiel Huisman), der die ältesten Rechte hat. Aber auch in den Nebenrollen glänzen Könner/innen Penelope-CalenderGirl-Wilton, sowie Bronagh-TheCommitments-Gallagher als Edelzicke und Nazi Verteidigerin. Auch Eben (Tom Courtenay) geistert als so eine Art Ortvorsteher genial hilflos durchs Bild. So wird das Ensemble amüsant eingerahmt Und alle Zuschauer wissen lange bevor es spruchreif ist, wer Juliet als seine Juliet (Titel) bezeichnen darf. Spannendes Feel Good Movie mit viel Gefühl am Ende.

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