Ab ins Museum!

Zwischen Dürer und Dino - die schönsten Museumsszenen im Kino
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»Nachts im Museum«

Skulpturen und Gemälde, Waffen, Vasen, Mumien und Dinosaurier – in Museen kommt was zusammen

 



Nachts im Museum
American Museum of Natural History

von Barbara Schweizerhof

Die Idee kommt wohl aus der kollektiven Kindheitsfantasie. Denn selbst, wer es nicht selbst erlebt hat, kann sich vage daran erinnern, dass man sich nach dem Museumsbesuch ehrfürchtig fragte: Und was macht die Mumie, das Dinosaurierskelett, die Wachsfigur bei Nacht? Die Antwort, die Nachts im Museum in seiner ersten Folge 2006 darauf gab war – museumsgerecht – in seinen Einzelteilen besser als sein Ganzes. Man kann dem Film seine schamlose Vorhersehbarkeit vorwerfen. Man kann aber auch den Kritiker in sich zu Bett schicken und seine unbändige Freude haben an der Nummernrevue: an den hirnlosen Aktionen des Neanderthalers (Matthew Harrison), am stets etwas fehlplatzierten Optimismus von Teddy Roosevelt (Robin Williams) und vor allem am herrlich kleinlichen Hickhack der Miniaturfiguren des Cowboys (Owen Wilson) und des Römers (Steve Coogan). Wohl kein anderer Museumsfilm dürfte außerdem eine derartige Wirkung gehabt haben: Der Besuch im American Museum of Natural History in New York soll nach Filmstart um 20 Prozent zugenommen haben. Im neuen Sequel geht’s nach London ins British Museum. Unter anderem wird Ben Kingsley einen weiteren Pharao geben, der offenbar in seiner Zeit als Ausstellungsstück Englisch gelernt hat. Roosevelt wird sich Sir Lancelot (Dan Stevens alias Matthew aus Downton Abbey) vorstellen. Womit der Film endgültig selbst zum Museumsstück wird: nicht nur mit einem der letzten Auftritte von Robin Williams, sondern auch von Mickey Rooney.



Dressed to Kill 
Metropolitan Museum of Art, New York

von Kai Mihm

Brian De Palmas Klassiker über eine Frau mittleren Alters (Angie Dickinson), die einem psychopathischen Mörder zum Opfer fällt, muss man aus heutiger Sicht beinahe feministisch nennen: Er konterkariert das bürgerliche Ideal des braven Hausmütterchens und setzt ihm in Nancy Allens Figur eine starke, sexuell selbstbestimmte Frau entgegen. Angie Dickinson hat als frustrierte Ehefrau mit dem Allerweltsnamen Kate Miller nur ein paar Dialogsätze. Wenn man ihr als Zuschauer dennoch nahekommt und ihre plötzliche Ermordung als umso schockierender empfindet, liegt das vor allem an der berühmten Szene im New Yorker Metropolitan Museum: In dieser zehnmütigen Sequenz legt De Palma Kates Seelenleben offen, ohne dass ein Wort gesprochen wird. Stattdessen lässt er die Kunstwerke und Kates Blicke sprechen: Auf einer Museumsbank beobachtet sie sinnierend Frauen verschiedenen Alters, die wie jüngere, glücklichere Versionen ihrer selbst wirken; dazwischen fällt ihr Blick auf zwei riesige Gemälde: das Porträt einer nachdenklichen Frau von Alex Katz und ein Gorilla von Tom Palmore – melancholische Sinnbilder für Kates Eheleben. Sie selbst bekommt in ihrem strahlend weißen Kostüm etwas Skulpturales, ebenso wie der attraktive Fremde mit den gemeißelten Gesichtszügen. In den labyrinthischen Räumen des Museums liefern die beiden sich eine delirierende Mischung aus Balz und Verfolgungsjagd. Da passt es, dass am Museumseingang eine Skulptur der Jagdgöttin Diana thront. Dass die Innenaufnahmen gar nicht im Metropolitan, sondern im Philadelphia Museum of Art entstanden, wird zur Nebensache.

Brian De Palma, USA 1980, mit Nancy Allen, Michael Caine, Angie Dickinson



Der Louvre ist der Star

von Gerhard Midding

Ein Museum ist er eigentlich erst an dritter Stelle. Zunächst einmal ist er Monument und Institution. Nicolas Philiberts Dokumentarfilm nennt ihn gar eine Stadt. Selbstverständlich stand der Louvre ganz oben auf der Liste der Pariser Wahrzeichen, die Hitler sprengen lassen wollte, was Stadtkommandant von Choltitz in Brennt Paris? und Diplomatie dann doch nicht übers Herz bringt. Er ist viel zu groß – kein Wunder, zuvor diente er als Königspalast –, und man hat ihn fast nie für sich allein. Das Kino fand bisher für beide Misslichkeiten prächtige Lösungen. Godards Außenseiterbande und Bertoluccis Träumer bewältigen ihn in Rekordtempo – vielleicht erinnerten sie sich an die Worte Darryl F. Zanucks, der seiner Familie bei einer Europareise einschärfte: »We got to be out of this place in 15 minutes!« Diese Eile zeigt, dass man hierher nur selten kommt, um Kunstwerke zu bewundern. Und überdies selten allein.

Im Kino scheint der Louvre kein Ort der individuellen Kontemplation zu sein. Der Raub der »Mona Lisa« geschah 1911 ja auch nicht aus Bewunderung für Leonardo, sondern aus Patriotismus und aus Liebe; so stellen es sich zumindest Géza von Bolvary, Walter Reisch und Willi Forst 1931 vor. Eine heroische Ausnahme ist Juliette Binoche, die in Die Liebenden von Pont-Neuf Rembrandts Selbstbildnis bei Kerzenlicht studiert, nachdem ihr der ehemalige Wächter und jetzige Clochard Klaus-Michael Grüber die Türen aufsperrt.

Nachts, wenn die Touristenmassen fort sind, lassen sich dort ohnehin interessantere Dinge erleben. Da treibt der Dämon Belphégor sein Unwesen, da werden in Sakrileg Kuratoren ermordet, damit das Geheimnis von Jesu Nachkommenschaft gehütet bleiben kann, und marschieren in Adèle und das Geheimnis des Pharaos wiedererweckte Mumien vorbei, denen es hier allerdings besser gefiele, wenn es noch eine Pyramide gäbe. Den Wunsch hat I.M. Pei mit seinem Glas-Entrée dann ja auch erfüllt.



Das Stendhal Syndrom
Uffizien, Florenz

von Sascha Westphal

Noch bevor die junge Frau in Weiß, die von Asia Argento gespielte Polizistin Anna Manni, die Galleria degli Uffizi überhaupt betritt, ist da schon dieses Gefühl von Überforderung: die engen Straßen von Florenz, die Gebäude aus der Zeit der Renaissance, die Skulpturen und natürlich die unzähligen Menschen. Es ist, als stürze die Welt auf Anna ein. Eine Woge von Wahrnehmungen, die einen Menschen durchaus in die Tiefe reißen kann.

Aber das ist nur das Vorspiel. In den Gängen und Sälen des berühmten Museums steigert sich die Flut der Eindrücke und Empfindungen ins geradezu Unermessliche. Wohin sich Annas Blick auch wendet, er findet einfach keine Ruhe. Von überall prasselt es auf sie ein. Der Gang durch die Uffizien wird zu einem Taumel, bis die Polizistin schließlich überwältigt zusammenbricht und in den Fluten von Pieter Bruegels »Landschaft mit dem Sturz des Ikarus« untergeht. 

In diesem Moment schummelt Dario Argento ein wenig. Dieses Gemälde hängt gar nicht in den Uffizien. Wer es sehen und in ihm wie Anna verschwinden will, muss nach Brüssel in die Königlichen Museen der Schönen Künste gehen. Aber genau diese Freiheit, die sich Argento ausgerechnet auf dem Höhepunkt seiner delirierenden Anfangssequenz nimmt, fügt sich perfekt ein in diese Feier der Kunst und ihrer Macht. Wer die schnöde Wirklichkeit sucht, sollte Museen und Kinos sowieso besser meiden. Für alle anderen ist dieses Gewitter aus Bildern, in dem Paolo Uccellos »Die Schlacht von San Romano« den Besucher mitten ins Getümmel eines Krieges versetzt, Caravaggios »Medusa« ihm den Atem raubt und Botticellis »Der Frühling« ihn berauscht, ein wahres Fest. Nach diesem fiebrigen Gang durch die Uffizien bleibt eigentlich nur eine Frage offen: warum nicht jeder Museumsbesucher vom Stendhal-Syndrom überwältigt wird.

Dario Argento, I 1996, mit Asia Argento, Thomas Kretschmann



The International
Guggenheim Museum, New York

von Anke Sterneborg

Ein Killerkommando mitten im New Yorker Guggenheim Museum: Wenn man zeigen will, dass den Schurken wirklich gar nichts mehr heilig ist, dann lässt man sie wild in einer der berühmtesten Kathedralen der modernen Kunst herumschießen. Immerhin wird ein Rest von Pietät noch gewahrt: Statt unersetzlicher Bilder geraten »nur« die reproduzierbaren Videoinstallationen von Julian Rosefeldt unter Beschuss, wobei das virtuelle Flimmern der Kunst auch zur Metapher für die Unfassbarkeit des Gegners in den internationalen Bankkonzernen wird.  Hier das gleißende Weiß und die elegant geschwungenen Linien von Frank Lloyd Wrights Rotunden-Bau. Dort die Gangster in Schwarz mit ihren Maschinenpistolen, die den heiligen Ort zum Kriegsschauplatz machen. Der unerbittliche Grabenkampf, den sie in den labyrinthischen Konstruktionen entfachen, ist eine hochkomplizierte Choreographie. Sechs Wochen lang wurde an zehn Minuten Film gedreht, dazu kommen noch 16 Wochen Bauzeit im gigantischen Lokschuppen eines verlassenen Bahnhofs in Babelsberg, denn natürlich durfte nicht im echten Museum gedreht werden, das zur Zeit des Drehs ohnehin eingerüstet war. Ein teures Unterfangen, das so mancher Geldgeber den Machern gerne ausgeredet oder wenigstens an einen weniger spektakulären Ort verlagert hätte. Dafür reiht sich die Szene jetzt in die großen ikonischen Momente der Filmgeschichte ein.

Tom Tykwer, USA/D/UK 2009, mit Clive Owen, Naomi Watts, Ulrich Thomsen, Armin Mueller-Stahl



Vertigo
Legion of Honor, San Francisco

von Patrick Seyboth

Madeleine Elster scheint von einer Toten besessen zu sein. Wie in Trance pilgert sie zu den Orten, an denen die unglückliche Carlotta Valdez vor 100 Jahren lebte und starb, und Scottie Ferguson folgt ihr heimlich, hat er doch von ihrem Ehemann den Auftrag, auf sie aufzupassen. Die geheimnisvolle Musik Bernard Herrmanns unterstreicht die Traumatmosphäre jener Szene, in der Madeleine regungslos versunken vor dem Porträt Carlottas in der Gemäldegalerie sitzt. Scottie steht im Schatten und beobachtet sie. Aber Madeleines Besessenheit ist vorgetäuscht – stattdessen wird der schon anfangs hinlänglich verstörte Scottie in den Strudel einer Obsession gezogen und zum Werkzeug einer Intrige gemacht. Eine Szene voller visueller Doppelungen: Madeleines Blumenstrauß neben ihr auf der Bank und Carlottas Strauß auf dem Gemälde, die Frisuren beider Frauen mit der gleichen Spiralwindung, die wiederum die wirbelnden Spiralmuster des Filmvorspanns aufgreift, eine grafische Metapher für Scotties Angst. Kamerafahrten ziehen den Blick auf diese Schlüsselelemente und Scottie in seinen Abgrund, wie später und drastischer der berühmte »Vertigo-Effekt«.

Museum, Gemälde, Frisur, Blumenstrauß und ein Collier am Halse Carlottas – all das kehrt in Reprisen und Metamorphosen wieder, wenn Scottie dann seinerseits eine Lebende in die Wiedergängerin einer vermeintlich Toten verwandeln will. Das gesamte Material für Hitchcocks schwindelerregendes Spiel der Doppelungen und Abgründe ist in dieser Szene enthalten. Und sogar das reale Gebäude der Legion of Honor in San Francisco ist ein Wiedergänger: Es handelt sich um einen Nachbau des Pariser Palasts der Ehrenlegion.

Alfred Hitchcock, USA 1958, mit Kim Novak, James Stewart, Barbara Bel Geddes



Russian Ark
Eremitage, St. Petersburg

von Birgit Roschy

In einer einzigen Kamerafahrt an einem Nachmittag gedreht, ist Alexander Sokurows Epos der bisher längste ungeschnittene Film der Geschichte. Die Kunstsammlung der Eremitage in St. Petersburg dient als Anlass für eine Meditation über die russische Geschichte der letzten drei Jahrhunderte bis zum Vorabend der Revolution. Aus der Perspektive eines unsichtbaren Flaneurs mit Sokurows Stimme aus dem Off zieht die Steadicam im Spaziergängertempo durch 33 Säle und verschneite Innenhöfe, vorbei an nahezu 2000 prächtig kostümierten Statisten, begleitet von drei Liveorchestern: ein Kraftakt, der drei Monate Proben erforderte. Als Reiseführer tritt ein dem Russlandreisenden Marquis de Custine nachempfundener Franzose auf, der Russlands Spagat zwischen West und Ost symbolisiert. Gemächlich entfaltet sich ein somnambuler, zunehmend bedrohlicher Bilderbogen. Denn die zerfließenden Streiflichter auf  Zaren, Offiziere und rauschhafte Bälle sind geprägt vom Wissen um das kommende Grauen. »Auf Wiedersehen, Europa«, verabschiedet sich Custine, dann drängen hunderte Ballgäste durch die monumentalen Treppenhäuser zum Ausgang. Draußen tobt ein Schneesturm. Der Melancholiker Sokurow macht unmissverständlich klar, dass er die zaristischen Despoten den stalinistischen vorzieht.

Alexander Sokurow, R/D 2002, mit Sergej Dreiden, Maria Kuznezowa



How to Steal a Million
Musée Jacquemart-André, Paris

von Ulrich Sonnenschein

Wie klaut man eine Million? Schon der deutsche Titel zieht den Film in die saloppe Ecke, dorthin, wo Logik und Konsequenz nicht wirklich zu Hause sind. Tatsächlich ist How to Steal a Million eine Kriminalkomödie, in der Regisseur William Wyler vor allem auf die Paarung »Verschmitzt trifft Naiv« setzt und aus seinen Darstellern Peter O’Toole und Audrey Hepburn genau das he­r­ausholt. Es geht darum, dass eine gefälschte Statuette aus einem Museum gestohlen werden soll, bevor eine Expertenprüfung den Leihgeber als Fälscher entlarvt. Bei den Dieben handelt es sich um die liebende Enkeltochter des Fälschers und einen sie anbetenden Privatdetektiv. Das Museum ist in diesem Film der Ort, an dem der Slapstick zum Leben erwacht. Die Innenszenen wurden in den Boulogne-Billancourt-Studios gedreht, die Außenaufnahmen des fiktiven Musée Kléber-Lafayette allerdings lieferte das Musée Jacquemart-André auf dem Boulevard Haussmann in Paris. Da verstecken sich die beiden in einer viel zu kleinen Abstellkammer, nur damit der Alarm ausgelöst werden kann; da wird ein ständig betrunkener Museumswärter mit reingezogen und seine Flasche zum Ersatz für die gestohlene Venus. Zwischendrin blicken Rembrandt und andere Artefakte böse und erschrocken drein, in einer rasanten Schnittfolge. Dann ist wieder Ruhe im Haus der Künste.

William Wyler, USA 1966, mit Audrey Hepburn, Peter O’Toole, Eli Wallach, Charles Boyer



Double Feature 
National Gallery, London, und Naturhistorisches Museum, Wien

von Frank Arnold

Der Dokumentarfilm entdeckt das Museum: Nach Johannes Holzhausens Das große Museum widmen in diesem Jahr auch zwei amerikanische Altmeister dieser Institution ihre jüngsten Filme – die einander wunderbar ergänzen.

Die Diskussionen über Budget und Marketing, die man bei Holzhausen gesehen hat, gibt es auch in Frederick Wisemans Film National Gallery, der eine der größten Gemäldesammlungen der Welt und die Arbeit der Restauratoren würdigt. Aber vor allem geht es Wiseman um die Kunstvermittlung: Immer wieder zeigt der Film Museumspädagogen, die den gebannt lauschenden Zuhörern und Zuhörerinnen die verborgenen Details in den Gemälden der alten Meister nahezubringen versuchen. Dass diese Kunstwerke, auch darauf wird wiederholt verwiesen, der Öffentlichkeit zugänglich sind, ist historisch gesehen keine Selbstverständlichkeit: Früher hingen sie oft genug in den Räumen der Auftraggeber, und der Blick darauf war ein privilegierter.

Auch Wisemans Landsmann James Benning ging für seine Museumsbetrachtung nach Europa: Auf Einladung des Naturhistorischen Museums Wien filmte er dort im vergangenen Jahr an 13 aufeinanderfolgenden Tagen. Menschen kommen bei ihm nur selten und flüchtig ins Bild, Dialog findet nicht statt, nur Geräusche sind zu hören. Benning entschied sich für die verborgenen Sammlungsteile, von denen sich in den unterirdischen der insgesamt neun Stockwerke des Museums jede Menge finden: präparierte Vögel, Kaninchen, aufgespießte Käfer, in Flüssigkeit konservierte Eidechsen. Manche Einstellungen dauern nur wenige Sekunden, andere mehrere Minuten, am Ende sieht uns ein Affe so lange an, das wir glauben, gleich würde er zum Leben erwachen. Oder aber wir verfallen ins Meditieren über Leben, Tod und Vergänglichkeit, die Zeit, die uns noch bleibt.Im Übrigen hält das Interesse der Filmemacher am Museum an. Alexander Sokurow drehte nach dem narrativen Russian Ark gerade Le Louvre sous l’Occupation.

National Gallery, Frederick Wiseman, USA 2014; 174 Min.
Natural History, James Benning, USA 2014; 77 Min.

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