Kritik zu The Gunman

© Studiocanal

Wie einst Sylvester Stallone: In Pierre Morels unterdurchschnittlichem Actionthriller zeigt sich Sean Penn von einer bislang unbekannten Seite. Statt auf Intensität und Intellekt setzt er auf Masse und Muskeln

Bewertung: 2
Leserbewertung
2.25
2.3 (Stimmen: 4)

Wer über diesen Film schreibt, muss notgedrungen ein paar Worte für Sean Penns Oberkörper reservieren; bringen wir's also hinter uns. Der Schauspieler hat hart trainiert für die Rolle des Scharfschützen Jim Terrier, und er nutzt jede Gelegenheit, der Kamera das Ergebnis seines Work-outs zu präsentieren. Der Waschbrettbauch und die aufgepumpten Brustmuskeln glänzen um die Wette, und der stählerne Bizeps spannt sich zur imposanten Kugel. Penn ist jetzt im selben Alter wie Stallone zur Zeit von Get Carter und Avenging Angelo, und vom Kinn abwärts sieht er erstaunlicherweise auch genauso aus. Scheinbar hatte er in Sachen Physis etwas nachzuholen. Und wer weiß, vielleicht sehen wir ihn ja bald in The Expendables 6 oder 7.

Kurzfristig aber scheint Penn, hier auch Koautor und Produzent, eher in die Liga jener Kollegen vordringen zu wollen, die von der »New York Times« kürzlich als »männliche Fantasien der Superpotenz« deklariert wurden: in die Jahre gekommene Racheengel wie Denzel Washington, Keanu Reeves, Josh Brolin und vor allem Liam Neeson, deren brachiale Einzelkämpfergeschichten ein eigenes Subgenre des Actionkinos darstellen. Doch den Zutritt zu diesem Club erlangt man nicht allein durchs Hantelstemmen. Was Penn ganz offensichtlich fehlt, ist das »Normale«, die abgeklärte Bodenständigkeit; vom Kinn aufwärts bleibt er der intellektuelle Exzentriker, der in solchen Filmen allenfalls als Antagonist oder Sidekick funktionieren könnte.

Die Story des Gunman beginnt 2006 im Kongo, wo Terrier als gedungener Auftragskiller das Leben eines Politikers auslöscht. Danach muss er das Land verlassen – und notgedrungen auch seine ahnungslose Freundin Annie (Jasmine Trinca), um die sich sein Vorgesetzter und Nebenbuhler Felix (Javier Bardem) nur zu gern kümmert. Acht Jahre später hat Terrier mit dem blutigen Geschäft genauso abgeschlossen wie mit der Liebe. Erneut verschlägt es ihn in den Kongo, wo er jetzt Entwicklungshilfe leistet – bis ihn seine Vergangenheit in Form dreier Männer einholt, die ihn zu töten versuchen.

Aus dieser Prämisse entwickelt sich ein ebenso vorhersehbarer wie konfuser Plot: Terrier, halb Jäger, halb Gejagter, macht sich auf die Suche nach Hintermännern und -gründen, ballert sich durch London und Barcelona und kämpft schließlich doch um die Frau, die er anfangs so widerstandslos aufgegeben hat. Pierre Morel (96 Hours) inszeniert das Ganze routiniert, aber leidenschaftslos und findet dabei keine klare Linie. Immer wieder kommt das Geschehen regelrecht zum Stillstand, und der Film kann sich nicht entscheiden, ob er Penns Protagonisten als dynamischen Superhelden oder doch als psychopathischen Loser charakterisieren will. Ähnlich wie Guy Pearce in Memento leidet er unter Erinnerungslücken und macht sich fortwährend Notizen – mehr als ein schickes Charakter-Accessoire, das dem Helden neben den Muskeln irgendwie auch Tiefe geben soll, wird daraus aber nicht. Wie so vieles in The Gunman verläuft sich auch diese Spur im Ungefähren.

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