Kritik zu Funny Birds
Eine Hühnerfarm dient als Schauplatz dieser bittersüßen Dramedy, in der Enkelin, Mutter und Großmutter – die achtzigjährige Catherine Deneuve – nach Versöhnung suchen
Wirklich gut scheinen sich Mutter Laura und Tochter Charlotte noch nie verstanden zu haben. Immerhin unterbricht Charlotte ihr Studium, um ihrer krebskranken Mutter auf deren Farm unter die Arme zu greifen. Und während Laura sich ihrerseits nicht im Mindesten dafür interessiert, wie es ihrer zwanzigjährigen Tochter geht, reicht es dennoch für giftige Bemerkungen über Charlottes »neoliberales« Studium des Finanzwesens: »Du wirst wie dein Vater.« Als Charlottes bis dato völlig unbekannte Großmutter Solange auf der Farm auftaucht, ist Laura an der Reihe, beleidigt zu sein. Doch nun will Solange bei Tochter Laura, die sie anscheinend jahrelang nicht gesehen hat, Wiedergutmachung leisten.
Diese bittersüße, sich über drei Jahreszeiten erstreckende Chronik basiert auf einer recht platten Versuchsanordnung, verkörpern die drei Generationen doch reißbretthaft den Wandel progressiver Frauenbilder: die strebsame Charlotte, die mit einem Stipendium ein prestigeträchtiges Studium absolviert, die grüne Aussteigerin Laura und Solange, die lässige Alt-Feministin, die zu Frauentreffen rund um die Welt jettet und die Mutterrolle verweigerte. Männer kommen in dieser Geschichte nicht vor oder werden zügig verabschiedet. Was leider auch im Dunkeln bleibt, ist die Frage der Finanzen. Dass Laura etwa ihr knuffiges Farmhaus mit dem Verkauf der Eier ihres Gnadenhofes für nicht mehr ganz so legefreudige Hennen unterhalten kann, wirkt unwahrscheinlich.
Ignoriert man aber diese Unstimmigkeiten und betrachtet das intergenerationale Treffen stattdessen als Märchen, dann macht die Dynamik des Zusammengluckens viel Spaß. Als treibendes Element dienen Lauras frei im Haus herumspazierende Hühner, deren Wohlergehen Laura am Herzen liegt – und bald auch Enkelin und Großmutter, die von der von Chemotherapien gequälten Laura jeden Stress fernhalten wollen.
Das französisch-amerikanische Regieduo Hanna Ladoul und Marco La Via hat seinem von Martin Scorsese produzierten Film einen französisch-bukolischen Touch verliehen. Nicht nur die Hügellandschaft Virginias mit dem gemütlich verwohnten Landhaus erinnert an französische Filme. Das Nichtgesagte bleibt in dieser spannungsgeladenen Generationenbeziehung weitgehend unausgesprochen. Statt auf dramatische Geständnisse wird in der Inszenierung auf zärtlich-poetische, fast irreale Szenen vertraut, in denen sich, auf grünen Wiesen oder der Couch, wortloses Verstehen entwickelt.
Catherine Deneuve ist als Hedonistin Solange, die Vorwürfe und Gesetze nonchalant ignoriert und Charlotte das Weintrinken beibringt, zwar die klischeehafte Vorzeige-Französin, zumal in ihrem schon oft gesehenen Auftritt als nonkonformistische ältere Dame. Doch wenn die Achtzigjährige in Karohemd und Gummistiefeln als Solange trickreich Lauras kleine Welt behütet, kann man sich keine bessere Fee wünschen. Fast scheint es, als sei die Handlung um diese berückende »Dea ex Machina« herumgebaut.
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