Kritik zu Die Ausstattung der Welt
All die Dinge, die ferne Zeiten und Milieus erst lebendig machen: Susanne Weirich und Robert Bramkamp erkunden in ihrem dokufiktionalen Film drei große Requisitenfundus
Ein Gemälde, das im Defa-Klassiker »Die Legende von Paul und Paula« an der Schlafzimmerwand hing, ein oranges Telefon aus Fassbinders Welt am Draht oder auch eine französische Regimentsflagge, die im Nazidurchhaltefilm Kolberg in einer Massenszene durchs Bild flattert: nur drei von vielen Protagonisten auf dieser Reise in den faszinierenden Kosmos Requisitenfundus. Robert Bramkamp, der in unkonventionellen Filmen wie »Prüfstand 7« oder »Art Girls« immer wieder Dokumentarisches und Fiktionales vermischt hat, und seine langjährige Mitstreiterin und Produzentin Susanne Weirich haben sich Zeit gelassen, um ihr erstes gemeinsames Regieprojekt umzusetzen. Die Neugier und Ausdauer ihrer Beobachtung, ihr bedächtiges Nachfragen in den Interviews und einige spielerisch-experimentelle Elemente verleihen dem Film eine Atmosphäre heiterer Konzentration.
Drei Requisitenfundus erkunden sie: den Requisitenfundus Studio Babelsberg, den »delikatessen Requisiten Fundus Berlin« und »FTA Props« in Hamburg – jeder für sich eine schier unermessliche Dingwelt mit Abertausenden Objekten. Hier besorgen sich die Ausstatter von Film- und Fernsehproduktionen gegen Leihgebühren alles, was sie brauchen, um ihre Sets glaubhaft zu gestalten. Fachkundig beraten werden sie dabei von den Fundus-Mitarbeitern – erkennbar Experten auf ihren jeweiligen Gebieten, mit geübtem Blick und viel Gespür dafür, welche Objekte in welche Welten passen, welche Gegenstände etwas erzählen. »Die Ausstattung der Welt« zeigt sie bei der Arbeit, die sie auch erläutern. Es geht um Verschlagwortung für die Onlinedatenbank oder auch um die Pflege der Objekte. Einzelne Requisiten nimmt der Film genauer unter die Lupe, befragt ihre Geschichte. Unvermittelt blitzen dabei kurze Filmausschnitte auf, was fast wie ein Ratespiel wirkt, denn die Benennung der Titel folgt erst im Abspann.
So geht die Reise durch Reihen voller Sitzmöbel, Schreibmaschinen oder Telefone diverser Epochen und Stile. Wir befinden uns mal inmitten täuschend echt aussehender Lebensmittelattrappen, die, wie alles andere auch, ihre jeweilige Zeit haben – Sushi wird man beispielsweise kaum in einem Film unterbringen wollen, der in der DDR spielt –, und dann zwischen Unmengen von Plastikblumen oder antiken Statuen. Ein kleiner Spielzeugfisch fährt dabei als skurriler, wohl bewusst auch ein wenig alberner »Guide« durch die wechselnden Depotszenerien.
Eine spannende andere Perspektive öffnen die fiktionalen Szenen des Films, in denen die Schauspielerin und BIPoC-Aktivistin Thelma Buabeng die Doktorandin Cleo verkörpert und die postkoloniale Geschichte einzelner Objekte erforscht. Was hat es etwa mit jener »Missionsspardose« in Gestalt eines karikaturhaften Schwarzen auf sich, der sich Geldstücke in den Mund schaufelt? Was lässt sich über die gruseligen, möglicherweise authentischen Voodoo-Puppen aus Holz herausfinden, die mit Nägeln gespickt sind? Anhand solcher Gegenstände macht der Film sichtbar, wie auch die ausgestattete Welt der Filme von der Wahrnehmung und dem Selbstverständnis, also auch den Vorurteilen der realen Gesellschaft geprägt ist, von Exotismus und Rassismus. Zu einem kontrastreichen Leitmotiv wird die Spurensuche zum Porträt »African Woman Holding a Clock«, das in unterschiedlichen Kontexten und Formaten immer wieder in den Fundus auftaucht.
»Die Ausstattung der Welt« vermag es, den Blick auf Spielfilme zu verändern, indem er die Aufmerksamkeit auf die scheinbar nebensächlichen Dinge lenkt, von denen Filme so voll sind. Wie viele Rätsel, wie viele Geschichten diese Dinge bergen, wie sie die Fantasie von Filmemachern wie Betrachtern anregen und ihren eigenen seltsamen Zauber als Wanderer zwischen realer und ausgestatteter Welt entfalten – davon erzählt der Film mit so viel Genauigkeit wie Humor.
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