Kritik zu Black Friday for Future

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In der neuen aufgekratzten Sozialkomödie des Duos Nakache/Toledano beteiligen sich zwei über die Ohren verschuldete Loser an den Aktionen einer militanten Umweltgruppe, um in deren Windschatten ihr eigenes Ding zu drehen

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»Albert!«, so piefig brauche sein Tarnname doch nicht zu sein, sagt »Cactus«, die Anführerin der Aktivisten, zu ihrem neuen Mitstreiter. Um sich dem esprit de corps der Gruppe anzupassen, gibt Albert also vor, dass sein Vorname ein ironischer Witz sei. Seine Mitverschwörer nennen sich Antilope oder Quinoa. Cactus' eigener offizieller Vorname wird später auf der Polizeiwache enthüllt. Er verrät eine großbourgeoise Herkunft, derer sie sich sichtlich schämt. Ihre Wohnung ist ein Altbautraum, jedoch leer, weil sie dem Konsum abgeschworen hat. Das Vorstadthäuschen von Bruno, Alberts Kumpel, ist auch leer, ausgeräumt vom Gerichtsvollzieher. Der Culture-Clash zwischen freiwilliger Askese und unfreiwilliger Armut verrät, neben weiteren treffsicheren Milieubetrachtungen, die Handschrift des Duos Olivier Nakache/Eric Toledano, das mit »Ziemlich beste Freunde« bekannt wurde.

In ihrer neuen Komödie zünden die Filmemacher ein Feuerwerk soziologischer Pointen. Albert jobbt am Flughafen und schläft auch dort, denn er ist obdachlos. Bei einem windigen Nebengeschäft lernt er Bruno kennen, der Haus und Familie verloren hat. Beide, über alle Ohren verschuldet, werden durch ein Freibier-Angebot zu einer Umweltaktivistengruppe gelotst. Im Windschatten der jungen Idealisten, die mit Wohnungsauflösungen Geld für ihre Belange sammeln, machen sie ihre eigenen Geschäfte. Und treiben die Gruppe zu immer radikaleren Aktionen, darunter eine Bankbesetzung, bei der sie insgeheim ihre Schuldnerakten vernichten wollen – dies allerdings so dilettantisch wie alles, was die zwei anfassen.

Es wäre ein leichtes gewesen, sich sowohl über die Naivität hipper Aktivisten wie das Losertum der Schnorrer lustig zu machen. Doch die Filmemacher haben nicht nur die Mitstreiter von »Extinction Rebellion« konsultiert, sondern viele als Statisten eingesetzt. Der Humor ist wiewohl burlesk und manchmal grob, niemals hämisch. Man spürt, dass die Autoren sich ernsthaft Gedanken zu den Pathologien rund um Geld, Konsum und Gier gemacht haben. Wie bei einer russischen Puppe verbirgt ein Thema ein weiteres. Die Bandbreite dieses »film choral« reicht von einem spielsüchtigen Schuldenberater über Anhörungen zum Schuldenerlass, in dem es ans Eingemachte des Selbstbetrugs geht, bis hin zu einem Zitat des Kulturhistorikers Jean-Pierre Vernant über das, was im Leben wirklich zählt.

Was für diesen Film vor allem einnimmt, ist sein fröhlicher Drive und das nahezu perfekte Timing, mit dem disparate Themen zusammengebracht werden. Dazu erklingt ein eklektischer Soundtrack, der vom elektrisierenden »Le Freak« über die Weltuntergangsstimmung von »The End« der Doors bis hin zu Jacques Brels »La valse à mille temps« als Untermalung des poetisch-anarchistisch gestimmten Filmendes reicht. »Une année difficile«, so der Originaltitel, beschwören in der Ouvertüre eine von 1974 bis heute reichende Riege französischer Ministerpräsidenten in ihren Weihnachtsansagen: die Zeiten, sie sind immer schwierig.

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