Interview: Barbara Sukowa

In England wäre sie geadelt
Barbara Sukowa als Gala in »Dalíland« (2022). © SquareOne Entertainment

Barbara Sukowa als Gala in »Dalíland« (2022). © SquareOne Entertainment

Barbara Sukowa über ihre aktuelle Rolle als Gala Éluard Dalí, die kreativen Jahre mit Margarethe von Trotta und die Vorteile des Älterwerdens.

Für Fassbinder hat sie die Mieze in »Berlin Alexander­platz« und die »Lola« gespielt, für Margarethe von Trotta Gudrun Ensslin, Rosa Luxemburg, »Hannah Arendt« und »Hildegard von Bingen«. Auffallend oft hat sie selbstbewusste und willensstarke, widerständige und kämpferische Frauen verkörpert – lange bevor es Mode wurde. 

Geboren wurde Barbara Sukowa 1950 in Bremen. Ihre Karriere begann in den Siebzigern auf dem Theater, wo sie mit Luc Bondy, Ivan Nagel und Peter Zadek arbeitete; es kamen Fernsehrollen dazu. 1981 dann der große Durchbruch im Kino: mit »Lola« und »Die bleierne Zeit«. Neben der stetigen »Teamarbeit« mit Margarethe von Trotta, neben wichtigen deutschen Projekten wie »Hierankl« oder »Vor der Morgenröte«, war Sukowa auch international stets gefragt. Schauspielpreise räumte sie links und rechts ab, von Bayern bis Cannes. Und jetzt, in den Jahren, in denen die komplexeren Rollen für Frauen traditionell weniger werden, kann sie aus dem Vollen schöpfen, in Serien wie »12 Monkeys« und »Der Schwarm«, in Filmen wie »Enkel für Fortgeschrittene« und »Dalíland«, wo sie wieder so eine resolut eigenwillige Frau spielt, die Muse des surrealistischen Künstlers Salvador Dalí. Auf dem Filmfest München bekam Sukowa im Sommer den CineMerit Award für ihre Verdienste ums Kino. Anke Sterneborg hat die Schauspielerin in Berlin getroffen. 

Sie haben schon öfter historische Figuren wie Rosa Luxemburg oder Friderike Zweig in »Vor der Morgenröte« gespielt und sich ihnen sehr wahrhaftig angenähert. Im Unterschied dazu erscheint Gala Dalí, die Frau und Muse des surrealistischen Künstlers Salvador Dalí, als Kunstfigur: Verändert sich da Ihre Herangehensweise?

Das habe ich nicht so empfunden. Ich glaube, dass jeder Mensch eine Rolle spielt, auch Hildegard von Bingen hat eine Rolle gespielt. Jeder präsentiert sich in der Gesellschaft, entscheidet, wie er sich darstellt. Bei Gala ist das ein bisschen offensichtlicher und extremer gewesen. Aber eigentlich tut das jeder Mensch.

Sie sagen, jeder Mensch spielt: Gilt das auch für Barbara Sukowa?

Als Schauspielerin muss ich mich möglichst neutral halten, ich kann meine Arbeit nicht noch in einer weiteren Rolle brechen. Im Grunde muss ich versuchen, mich als Person zu reduzieren, um dann eine Rolle spielen zu können.

Was bereitet Ihnen mehr Spiellust: Historische oder erfundene Figuren, die größere Freiheit bieten?

Historische Figuren mag ich sehr gern, weil es Material gibt, das ich sichten kann, um mich dieser Person anzunähern, ihr gerecht zu werden. Das macht mir Spaß und auch da gibt es viele Freiheiten.

Bei dem Dalí-Projekt waren Kostüme und Perücken besonders ausgeprägt, war das hilfreich oder hinderlich?

Kostüme sind für mich sehr hilfreich, denn in dem Moment, in dem ich das Kostüm überstreife, erschließt sich mir eine weitere Dimension der Figur. Die Kostümbildnerin hat hier eine wunderbare Auswahl getroffen, mit Couture von Dior und Schiaparelli, alles ist eng, ein bisschen wie ein Korsett, in dem man nicht so eingeengt ist wie im 19. Jahrhundert, sich aber auch nicht ganz frei bewegen kann. Und wer sich diese Perücke aufsetzt, will nicht glauben machen, das seien die eigenen Haare – sie gleicht einem Kunstwerk, ein gebautes Stück. Sie ist Teil dieser Kunstfigur, dieses Images, an dem Gala und Dalí intensiv gearbeitet haben.

In welchen Momenten fühlen Sie sich Gala Dalí näher, wann ist sie Ihnen eher fremd?

Am nächsten ist sie mir in ihrer Beziehung zu Salvador Dalí, wenn sie seine Bilder betrachtet. Das Problem war in diesem Fall, dass fast alles, was über Gala geschrieben wurde, negativ ist. Gala wurde von vielen Menschen gehasst, auch weil sie sich oft extrem geäußert hat. Darum befürchtete ich, dass sie zur Karikatur werden könnte. Hinzu kommt, dass das – anders als Rosa Luxemburg oder »Hannah Arendt« – keine Hauptrolle war; Gala kommt nur punktuell vor und tritt dann immer sehr stark auf. Darum war es mir wichtig, dass es auch Momente gab, in denen sie verletzlich ist.

Gala Dalí nimmt sich, was sie will, besonders junge Liebhaber: Wie sind Sie an diesen erotischen Aspekt herangegangen?

So wie ich an alle Stoffe herangehe: Es stand im Drehbuch, ich habe es gespielt, fand es auch glaubhaft. Das war eine komplizierte Beziehung zu Dalí, mit dem sie ja kein sexuelles Verhältnis hatte, darum hat sie sich das anderweitig geholt. Und ich nehme an, dass es da nicht nur um ihr Bedürfnis ging, sie hat es auch für ihn getan, weil es für ihn spannend war. Sie macht ihn auf sehr raffinierte Weise eifersüchtig.

Sie sind Deutsche in New York und sprechen als Gala, die Russin war, wieder mit einem sehr ausgeprägten Akzent: Wie nähern Sie sich da an?

 Akzente kann ich generell ganz gut sprechen, auch deutsche Dialekte fallen mir leicht. Galas russischer Akzent hat sehr geholfen, weil er sie von vornherein ein bisschen verfremdet, mysteriös macht.

Eine besonders intensive Zusammenarbeit verbindet Sie mit Margarethe von Trotta, mit der sie über einen Zeitraum von 35 Jahren sieben Filme gedreht haben. Sie haben ihre Arbeitsweise mit der von Mary Harron, der Regisseurin von »Dalíland«, verglichen. Wo sehen Sie die Verbindungen?

Auch Mary Harron ist sehr offen, tritt am Set nicht mit großem Ego auf, tut nicht, als wüsste sie alles. Sie ist neugierig, ruhig, bietet den Schauspielern viel Unterstützung. Margarethe kann sich als ehemalige Schauspielerin sehr gut in meine Lage versetzen, das ist bei Mary nicht der Fall. Dennoch hat auch sie diese Wärme, diese Liebe zu den Figuren und eine große Neugier und Offenheit.

»Ich bin alt und glücklich«, haben Sie mal im Interview mit dem »Berliner Kurier« gesagt: Verraten Sie uns Ihr Geheimnis?

Ja, ich bin glücklich. Und manchmal auch nicht glücklich. Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang ich das gesagt habe, denke aber, es wird einfacher, wenn man älter ist.

Sie scheinen generell ein recht entspanntes Verhältnis zum Alter zu haben und wirken gleichzeitig sehr jugendlich, ohne das zu forcieren: Wie kommt man dahin?

Komischerweise passiert es mir oft, dass Leute, die einen Film mit mir gesehen haben und mich danach kennenlernen, sagen: »Du siehst ja viel jünger aus.« Anscheinend wirke ich in den Rollen nicht so jugendlich. Gala beispielsweise war zehn Jahre älter als Dalí, entsprechend ist ihre ganze Aufmachung auch älter. Ja, wie kommt man dahin? Vielleicht hat es damit zu tun, dass Menschen mich interessieren, alle, egal aus welchem Zusammenhang sie kommen. Das färbt auf den Beruf ab, in dem ich wahnsinniges Glück hatte und immer mit wunderbaren Kollegen und Kolleginnen arbeiten durfte. Diese Storys, die man sonst von Schauspielerinnen hört, die miteinander konkurrieren und kämpfen – das habe ich in den 50 Jahren, in denen ich Filme mache, nie erlebt. Und oft sind aus der Zusammenarbeit Freundschaften entstanden. Ich mag Menschen, wittere selten etwas Böses. Während manche Menschen spüren, vor dem musst du dich in Acht nehmen, habe ich immer erst mal einen positiven Eindruck von anderen, und der ist so gut wie nie enttäuscht worden.

Einerseits haben Sie diese sehr jugendliche Ausstrahlung, andererseits haben Sie von Anfang an, sogar schon bei der Bewerbung an der Schauspielschule, ältere Rollen gespielt. Was reizt Sie daran?

Ältere Menschen haben mich immer interessiert. Ich hatte oft enge Freundinnen, die älter waren. Ich hänge nicht an Äußerlichkeiten. Ein Mensch, der sich bewegt, der spricht, der Gefühle hat, ist immer sehr viel mehr als seine äußere Erscheinung. Natürlich verändert sich der Körper im Alter, aber es ist doch oft so, dass alte Leute im Gespräch sehr jugendlich wirken, umgekehrt gibt es junge, die sehr weise und damit reifer erscheinen. Dafür kann man doch gar nichts. 

Hat das Alter Vorteile, vielleicht eine andere Form von Gelassenheit?

Schon. Wenn man so einiges überlebt hat, dann hat man mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Wenn wir auf diese Rollen zurückkommen, die ich gespielt habe, »Hannah Arendt« oder »Hildegard von Bingen«: Da hatte ich vorher natürlich immer wahnsinnige Angst, fragte mich, wie kann ich so eine geistige Größe spielen – und irgendwie klappt es dann doch.

Ich habe auch nicht mehr so viel Angst vor meinem Tod, das wird irgendwann in den nächsten zehn, zwanzig Jahren eben passieren. Ich habe eigentlich immer mit dem Gedanken an Tod gelebt, vielleicht, weil ich auch mit Großeltern aufgewachsen bin und in jungen Jahren viel Tod erlebt habe. Deswegen finde ich viele Streitereien so sinnlos, schließlich kann man am nächsten Tag schon tot sein.

Es ist noch nicht so lange her, dass komplexere Rollen für Frauen jenseits der 50 sehr rar waren. Verändert sich da gerade etwas?

Ich wundere mich sehr, wie viele Angebote ich bekomme. Damit hatte ich, ehrlich gesagt, nicht gerechnet. Das hat natürlich auch mit dem hohen Bedarf an Filmen und Serien bei den Streamingdiensten zu tun. Hinzu kommt, dass Frauen mit 60 oder 70 nicht mehr im Schaukelstuhl sitzen und stricken – wie das früher oft zu sehen war. Sie sind in vielen Berufen aktiv und können nicht mehr ignoriert werden.

Würden Sie sagen, dass es generell mehr Diversität im Filmgeschäft gibt?

Ich denke schon. Nehmen wir den Film »Wir beide«, in dem ich vor ein paar Jahren gespielt habe. Es ging um zwei ältere, lesbische Frauen, inszeniert hat den Film ein junger italienischer Regisseur, Filippo Meneghetti. Damals fragte ich mich, wieso interessiert er sich für zwei ältere Frauen? Als der Film herauskam, habe ich erstaunt festgestellt, wie viel Interesse gerade junge Menschen daran hatten. Vielleicht wird dieses ständige Bombardement mit jungen, schönen Menschen einfach langweilig und es gibt eine Sehnsucht nach anderen Geschichten.

Sie haben recht oft mit Erstlingsregisseuren gearbeitet, entspricht das Ihrer Risikofreude?

Das kommt immer darauf an, wie sich mir dieser Mensch präsentiert. Wenn ich das Gefühl habe, dass er oder sie leidenschaftlich an seine Sache glaubt, nicht nur meinen Namen draufkleben will, sondern sich ernsthaft mit den Inhalten auseinandergesetzt hat, dann reizt mich das. Erstlingsregisseure einzuschätzen, ist immer schwer. Wenn Sie mit Bergman drehen, wissen Sie ungefähr, in welche Richtung das geht. Bei einem jungen Regisseur muss man das in der Arbeit herausfinden – was spannend ist.

Auf dem Höhepunkt Ihres Erfolges in den neunziger Jahren sind Sie das Wagnis eingegangen, Deutschland zu verlassen und nach Amerika zu gehen . . .

Ich mag es, nicht von vornherein zu wissen, wie etwas ausgeht. Neulich sagte ein Bekannter, der ungefähr in meinem Alter ist, wie schön das sei, dass ich mir diese Rollen alle aussuchen kann. Aber es sind eigentlich nicht die Rollen, die ich mir aussuche, denn es ist ja eine Illusion zu glauben, dass man irgendetwas kontrollieren, irgendeinen Plan umsetzen kann. Es gibt einen Satz, den ich liebe: Wenn du Gott lachen hören willst, dann erzähl ihm deinen nächsten Plan. Darum suche ich mir oft Rollen aus, bei denen ich gar nicht weiß, ob ich das kann, bei denen ich Widerstände spüre, und dann auch das Gefühl habe, das bringt mich in irgendeiner Form weiter.

In »Wir beide« erschien es sehr logisch, dass Sie die risikofreudige, lebendige Wilde spielen, doch damals meinten Sie, dass Sie Lust hätten, auch mal die andere zu spielen . . .

Tatsächlich wollte ich den Regisseur davon überzeugen, die Rollen zu tauschen, doch er bestand darauf. Auch in »Enkel für Anfänger« hätte ich lieber die Spießige gespielt statt der eher flippigen Hippie-Oma, aber auch da ließ sich der Regisseur nicht umstimmen. Aber ich bereue um Gottes willen nichts, denn es waren wirklich tolle Rollen, die ich gespielt habe.

Was bedeutet Ihnen das Schauspielen?

Für mich geht es einfach ums Spielen, so wie ein Kind spielerisch die Welt kennenlernt. Durchs Spielen lerne ich Menschen kennen, aber auch Teile von mir selbst, die ich ausgraben muss, um meine Figur zu formen. Das ist im Grunde ein ganz einfacher Vorgang: Spielen wie ein Kind, wie wenn man sich kostümiert und mit den Stöckelschuhen der Mutter rumläuft, das ist etwas ganz Naives, Kreatürliches.

Sie sind fast zufällig zum Schauspiel gekommen. Wann wussten Sie, es ist nicht nur ein Kinderspiel, sondern ein Beruf?

Dahin wurde ich tatsächlich eher von anderen getrieben. In der Schule habe ich früh die großen Rollen gespielt, und dann ging ich als Austauschschülerin nach Amerika, wo es an der Highschool schon etwas professioneller aufgezogen war. Da gab es ein Festival mit Einaktern, bei dem ich einen Preis gewann. Danach sagten alle »Du musst Schauspielerin werden.« Als ich nach Deutschland zurückkam, um Abitur zu machen, war ich mir immer noch nicht sicher, fing dann aber in Bremen an, ins Theater zu gehen, wo Peter Zadek und Wilfried Minks progressives Theater machten, mit Edith Clever, Bruno Ganz, Jutta Lampe – ach Gott, so viele schon tot, furchtbar . . . Damals als Zuschauerin entdeckte ich das Theater, fand Schauspiel faszinierend, wurde immer wieder von anderen gepusht, bis ich dachte, na, ich probier's mal. Da bin ich nach Berlin, habe die Aufnahmeprüfung auf der Schauspielschule gemacht und wurde aufgenommen.
 
Und dann, nach einer Reihe Fernseharbeiten, der erste große Kinofilm, »Lola«, gleich mit Rainer Werner Fassbinder: Sie sind eine der wenigen Schauspielerinnen, die aus dem Universum Fassbinder ziemlich unbeschadet hervorgegangen sind. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Ja, Fassbinder: Ich habe mich immer eher rausgehalten aus dem, was man so die Familie nannte, die jeden Abend zusammen essen ging. Fassbinder hat meine Nähe gesucht, aber ich wusste instinktiv, dass ich zwischen ihm und mir eine gewisse Distanz brauche, um mich während des Drehs wirklich öffnen zu können. Es war mir wichtig, dass da noch ein Geheimnis bleibt, das konnte nicht alles am Biertisch ausgetragen werden und vielleicht hat das geholfen.

Sie haben aber auch mal gesagt, dass Sie mit sich selbst schon so streng seien, dass es die anderen nicht sein müssen?

Das stimmt. Fassbinder und auch andere Regisseure, die angeblich mit anderen Schauspielern sehr streng waren, haben das mit mir nie gemacht. Ich glaube, das liegt daran, dass sie gemerkt haben, wie hart ich mich an die Kandare nehme. Da ich mich nie leicht mit mir selbst zufriedengebe, muss mich auch niemand besonders drängen oder quälen. Selbst Michael Cimino, der bekanntlich viele seiner Mitarbeiter unglaublich getriezt hat, war mit mir sehr freundlich.

Besonders viel und intensiv haben Sie mit Margarethe von Trotta gearbeitet, irgendwann hat Sie Ihnen sogar Carte blanche eingeräumt: »Sag doch mal, was du spielen willst.« Warum interessiert Sie das gar nicht?

Für mich ist Film ein Regiemedium, er oder sie ist viel stärker involviert, er oder sie ist es, die/der eine große Leidenschaft für das Thema haben muss. Margarethe von Trotta fragt mich öfters, ob ich nicht eine Idee habe – aber das nützt doch gar nichts, wenn ich eine Idee habe! Sie muss die Idee haben, denn sie muss das Ganze durchziehen, darum finde ich es besser, wenn sie einen Stoff an mich heranträgt und ich mir dann überlege, ob ich das kann. Und wenn ich mich dafür entscheide, brauche ich das ganze Vertrauen. Nehmen wir Rosa Luxemburg: Das war eine Rolle, in der ich mich überhaupt nicht gesehen habe, ich habe sogar lange nach anderen Schauspielerinnen für Margarethe gesucht. Als sie dann mich anrief, dachte ich, jetzt ist sie verrückt geworden. Aber sie war so fest davon überzeugt, war sich so sicher, dass ich nachgab. Ich brauche es, dass ein Regisseur wirklich glaubt, dass ich die Richtige bin, denn ich selbst glaube eigentlich selten, dass ich die Richtige bin. 

Sie bezeichnen Schauspielern auch als detektivische Arbeit, können Sie das ausführen?

Man versucht, die Figur zu ergründen. Man sucht Zeugenaussagen, was haben andere Menschen über diese Person gesagt? Was sagt sie über sich selbst? Lügt die Person, lügen die anderen? Unter welchen Umständen lebt sie, in welcher Umgebung? Ja, das ist Detektivarbeit, ich schaue übrigens auch sehr gern Detektivserien . . .

Sie haben gerade einen Kurzfilm mit Ihrem Sohn Joseph Longo gedreht, in dem Sie Mutter und Sohn spielen: Wie kam es dazu?

Joseph ist auf der NYU Film School. Er wollte seinen Abschlussfilm über eine Mutter und ihren Sohn drehen, hat mir sein Drehbuch gezeigt, mich gefragt, ob ich die Rolle übernehmen wollte und, dass er gern versuchen wolle, das selbst zu spielen. Das ist ein kleiner Film, den wir gerade abgedreht haben, auch in meinem Haus, um Geld und Gagen zu sparen. Wir hatten großen Spaß beim Drehen, im Moment schneidet er und wir sind neugierig, was daraus wird.

Generell schirmen Sie Ihr Privatleben stark ab, das klingt jetzt aber schon so, als könnte das eine riskante Gratwanderung zwischen Realität und Fiktion sein . . .

Wir wollten einfach Spaß haben. Als er mir das Drehbuch gezeigt hat, haben wir es zusammen gelesen und dabei wahnsinnig gelacht, weil es immer wieder Momente gab, die etwas mit uns zu tun hatten, damit, wie wir miteinander umgehen, wie wir uns kabbeln.

Gibt es da gar keinen Schutzmechanismus?

So habe ich das nicht empfunden, schon weil man ja in einer Rolle ganz anders ist. Das war alles sehr offen, und da es ein Kurzfilm war, mussten wir auch keine Biografien definieren. Es geht darum, dass der Sohn sie kontrollieren will, dass er nicht loslassen kann – also das Gegenteil davon, was sonst oft zwischen Eltern und Kindern abläuft.

Nach der singenden »Lola« bei Fassbinder eröffnete sich Ihnen ein neues Fenster zur Musik, mit den »Gurre-Liedern« von Arnold Schönberg, die Sie gesungen haben, und dann mit der Band The X-Patsys: Wäre das eine Alternative zum Schauspiel gewesen?

Die »Gurre-Lieder« sind ein sehr aufwendiges, teures Stück mit einem Riesenorchester, darum wird es sehr selten aufgeführt, später habe ich es noch mal mit Kent Nagano erarbeitet. Doch es wird meistens in Europa aufgeführt, dafür jemanden wie mich aus Amerika zu holen, geben die knappen Budgets nicht her. Dazu kommt, dass diese Stücke so schwer sind, dass ich enormes Lampenfieber habe. Aber ich würde es schon gern noch mal machen, auch weil man wieder einen ganz anderen Ansatz finden muss, wenn man älter ist.

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