Kritik zu Mein fabelhaftes Verbrechen

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François Ozons neuer Film ist eine fabelhafte Satire im Stil einer Theaterkomödie aus den 30er Jahren, die dennoch auf aktuelle Missstände der Geschlechtergerechtigkeit verweist

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François Ozon ist ein Suchender. Mit seinen Arbeiten durchstöbert er die Filmgeschichte, bewegt sich zwischen Inspiration und Anspielung an seinen Vorbildern entlang und schafft doch regelmäßig Werke von hoher Eigenständigkeit. Mit 22 Filmen in nur 25 Jahren ist er dazu noch ungeheuer produktiv. Dabei erzählt Ozon immer wieder von einer Gesellschaft, die sich in sexueller Unausgewogenheit befindet, in der Frauen keine Männer sein dürfen und Männer, die Männer lieben, sich immer noch verstecken müssen. Wenn Ozon sich dazu entschließt, Frauen in den Fokus zu rücken, geschieht dies oft im Sinne einer mangelnden Gleichberechtigung. Und so gegenwärtig das Thema auch ist, benutzt er dazu Bilder und Geschichten quer durch die vergangenen einhundert Jahre. 

So auch hier. Vordergründig inszeniert Ozon eine Kriminalkomödie, die unter dem Titel »Mon Crime« von Georges Berr und Louis Verneuil 1934 für das Theater geschrieben und zum ersten Mal bereits 1937 mit Carole Lombard als »Ein Mordsschwindel« von Wesley Ruggles verfilmt wurde. Ozon weiß sich also in guter Gesellschaft und kann sich ganz darauf konzentrieren, die inhaltliche Aktualität in eine historische Künstlichkeit zu packen. Sein Paris der 30er Jahre sieht aus wie eine Vaudeville-Kulisse. Madeleine Verdier (Nadia Tereszkiewicz), eine junge, aber mittellose Schauspielerin, wird des Mordes an einem berühmten Theater-Produzenten beschuldigt. Sie lebt mit ihrer Freundin Pauline (Rebecca Marder), die als Anwältin ebenso unentdeckt ist wie sie, zusammen in einer engen Mansardenwohnung. Zum wiederholten Male müssen sie dem nicht eben geduldigen Vermieter die Miete schuldig bleiben. 

Mit der Mordanklage wittern nun beide ihre Chance, ins Rampenlicht zu treten und das armselige Leben am Rande ihrer Profession hinter sich zu lassen. Madeleine gesteht den Mord, den sie nicht begangen hat, und wird aufgrund einer virtuosen Verteidigung durch Pauline wegen Notwehr freigesprochen. Nur so sei sie einer versuchten Vergewaltigung entgangen. Der irrwitzige Plan geht märchenhaft auf, beide können nun Ruhm und Erfolg in Reichtum umwandeln und in ein respektables Haus ziehen. Doch wo Erfolg ist, sind auch die Neider nicht weit. Es dauert nicht lange, bis sich die wahre Mörderin in Gestalt des alternden Stummfilmstars Odette Chaumette (Isabelle Huppert) einfindet und ihren Teil des Erfolges einfordert. Andernfalls werde sie mit der Wahrheit an die Öffentlichkeit gehen. 

Die Verkehrung, dass unschuldige, aber unehrliche Menschen mit einer verbrecherischen Wahrheit erpresst werden sollen, ist ganz im Sinne Ozons. Denn wenn es um sexuellen Missbrauch geht, ist es mit der Wahrheit so eine Sache. Die Rettung übrigens verkörpert der wieder mal grandiose Dany Boon als bestechlicher Architekt, aber da hat diese Farce bereits so viel Fahrt aufgenommen, dass man jedes Ende akzeptiert hätte. 

Jenseits der bis in die Screwballkomödie ausgreifenden Effekte aber ist auch dieser Film wieder eine Anklage. Eine dominante Männlichkeit versucht mit allen Mitteln ihre Vorherrschaft zu verteidigen. Das beginnt mit der wucherhaften Vermietung von Wohnraum, geht über Kunst und Kultur bis hin zu Recht und Politik. Mit großer Geste wird vor Gericht die Todesstrafe gefordert, um Frauen abzuschrecken, Männer zu ermorden. Und nach dem unerwarteten Freispruch murmelt die Concierge, hätte sie das geahnt, sie hätte ihren Mann bereits vor vierzig Jahren umgebracht. 

Außerdem lässt es dieser hintersinnige Ausstattungsfilm nicht an historischen Details fehlen, scheut keine glamourösen Übertreibungen und versenkt Isabelle Huppert in einer feuerroten Lockenperücke. Der Spaß steckt also nicht nur in der schrillen Erzählung, sondern auch in der Wiederbegegnung mit Stars, die man in einem solchen Film kaum erwarten würde – wäre er nicht von François Ozon.

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