Kritik zu Return to Seoul
In Davy Chous Film reist eine Französin nach Korea, um ihre biologischen Eltern zu suchen. Was simpel klingt, wird ein faszinierendes Porträt einer Identitätsfindung zwischen Culture Clash und Aneignung
Eine Aura von Leichtsinn und Risikobereitschaft umgibt die 25-jährige Freddie (Park Ji-Min), wenn sie sich in den ersten Momenten des Films in einem Guesthouse in Seoul einquartiert. Eine Touristin, die weiß, was sie will. Die junge Koreanerin hinter dem Schalter scheint gleichzeitig verschreckt und fasziniert von der Französin mit asiatischer Abstammung. Später gehen sie zusammen aus, und während Tena (Guka Han) mit einem weiteren Seouler Freund für Freddie übersetzt und sie in gewisse kulturelle Gepflogenheiten einweiht, überschreitet Freddie sogleich mit provokativer Lust die gesteckten Grenzen. Statt zu warten, bis man ihr einschenkt, greift sie selbst zur Flasche und, mehr noch, lädt bald das ganze Lokal an ihren Tisch ein. Dass einer ihrer neuen Bekannten ihr Gesicht als »altkoreanisch« lobt, löst jedoch sichtlich gemischte Gefühle bei ihr aus.
Obwohl sie zunächst das Gegenteil behauptet, ist Freddie sehr wohl nach Seoul gekommen, um ihre Wurzeln zu erforschen. Sie war als Baby von französischen Eltern adoptiert worden; nun sucht sie die Agentur auf, um den Kontakt zu ihren biologischen Eltern herzustellen. Von der Mutter gibt es keine Antwort, der Vater jedoch lädt sie zu sich ein. Es wird ein angespanntes, ungemütliches Wiedersehen zwischen falscher Vertraulichkeit und großem Befremden, zusätzlich behindert von der Sprachbarriere und dem weinerlichen Alkoholismus des Vaters. Seine ungeschickten Versuche der Wiedergutmachung lehnt Freddie immer schroffer ab, bald fühlt sie sich von ihm regelrecht belästigt. Statt weiter Anschluss an Verwandtschaft zu suchen, stürzt sie sich ins Seouler Nachtleben.
Regisseur Davy Chou, Franzose mit kambodschanischen Vorfahren, bleibt stets sehr dicht an seiner Heldin. Die wesentlichen Ereignisse und Konflikte des Films inszeniert er mit wenig mehr als den Reaktionen ihres Körpers und vor allem ihres Gesichts. Noch weitere Male lässt er Freddie nach Seoul zurückkehren, nach zwei Jahren, nach sieben. Jedes Mal scheint sie ihre Identität neu justiert zu haben. Beim zweiten Mal hat sie Koreanisch gelernt und kommt im Geschäft eines Waffendealers unter. Beim dritten Mal bringt sie ihren französischen Freund mit. Noch einmal findet ein Essen mit dem Vater statt, aber als der Freund anschließend beiläufig bemerkt, sie sei ihm ähnlich, lässt sie ihn mit eben jener Rücksichtslosigkeit fallen, mit der man sie schon zu Anfang hat Menschen behandeln sehen. Und dann meldet sich die biologische Mutter doch noch.
In seinem fokussierten Minimalismus wirkt »Retour à Seoul« zuerst sperrig und unverständlich. Aber in Wahrheit liegt alles offen zutage und lässt sich in Park Ji-Mins Gesicht ablesen: die widersprüchliche Situation eines Adoptionskinds wie Freddie, in einer Kultur geboren, in einer anderen aufgewachsen. Was will sie von der Begegnung mit ihren biologischen Eltern, was kann sie wollen? Wo hört das Ererbte auf, wo beginnt die eigene Persönlichkeit? Sich der Ungewissheit zu stellen, ist mit Schmerzen, mit Angst verbunden. Aber es ist auch der Weg vorwärts.
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