Disney+: »Ice Age – Die Abenteuer von Buck Wild«
Crash und Eddie sind die Chaoten vom Dienst. Gerade haben die tollpatschigen Opossumbrüder das Winterquartier der Patchworkfamilie (ein Mammutpaar, ein Säbelzahntiger und ein Faultier), in die sie vor längerer Zeit aufgenommen wurden, zum Einsturz gebracht und sich den Zorn von Mammutdame Ellie zugezogen. So beschließen sie, die Flucht nach vorne anzutreten – durch eine Trennung von der Familie endlich selbständig zu werden (und große Abenteuer zu erleben).
Bei ihrer Reise ins Ungewisse führt sie ihr Sturz in eine Höhle dabei in die »Verlorene Welt«, ein tropisches Paradies, in dem Dinosaurier und andere Spezies weitgehend in Harmonie leben. Vor einer Attacke gefräßiger Saurier werden sie von einem alten Bekannten gerettet, dem Wiesel Buck Wild, der der Familie als einäugiger Pirat mit seiner Mannschaft in einem früheren Film das Leben schwer machte. Immer noch ein Abenteurer, weiß er doch um die Bedrohung des friedlichen Zusammenlebens. Die trägt den Namen Orson – ein kleinwüchsiger Dinosaurier mit einem überdimensionalen Hirn. Das macht ihn nach eigener Aussage zum klügsten aller lebenden Tiere und daraus leitet er seinen Herrschaftsanspruch ab. Doch er hat die Rechnung ohne Buck Wild gemacht. Der schwingt seine Peitsche genauso elegant wie Indiana Jones und gibt ihm Kontra, unterstützt von Zee, einer Zorilladame, die sich auf Kampfkünste ähnlich gut versteht wie auf den Umgang mit ihrem Messer.
»Ice Age«-Fans kommen bei diesem Ableger auf ihre Kosten: mit ausgefeilten Charakteren, elaboriertem Slapstick, messerscharfen Dialogen (inklusive einer Variante des berühmtesten Satzes aus »Apocalypse Now«) und dem farblich opulenten tropischen Setting. Muss man den Namen des Schurken dabei als Kritik an einer Filmkultur lesen, die den Regisseur in den Mittelpunkt stellt, Orson Welles als Sinnbild des überlebensgroßen auteurs?
Interessanter scheint mir die Frage: was ist mit Scrat passiert? Diese Figur kennt jeder, der einen der früheren »Ice Age«-Filme gesehen hat. Auch wenn in Deutschland bei der »Ice Age«-Promotion immer das Faultier Sid in den Mittelpunkt gestellt wurde (weil Otto Waalkes ihm seine Stimme verlieh), war der heimliche Star der Filme doch ein anderer: der Nager Scrat, ein Säbelzahn-Eichhörnchen, das gewissermaßen in seinem eigenen Film spielte, einzig und allein damit beschäftigt, eine Eichel aus dem Eis herauszubrechen und sie als Vorrat zu vergraben. Das führte zu Gletscherabbrüchen und anderen Katastrophen, die sich auch fortsetzten, als sich Scrat in einem der Filme allein in einem Raumschiff wiederfand. Das Ganze war mit so präzisem Gefühl für Timing und Raum inszeniert, dass es jedes Mal ein Riesenvergnügen war. Scrat bekam seine eigenen Kurzfilme und schaffte es verdientermaßen später sogar in das Vorspann-Logo der Produktionsfirma Blue Sky.
Die hatte 2002 mit dem ersten »Ice Age«-Film ihren Einstand als ein neuer Player im Animationsfilm gegeben. Angesiedelt bei der 20th Century Fox produzierte das von Regisseur und Produzent Chris Wedge gegründete Studio bis 2019 insgesamt 13 Langfilme, von denen sich »Ice Age« mit vier Fortsetzungen bis 2016 zur erfolgreichsten Marke entwickelte. 2019 wurde Fox an Disney verkauft, Blue Sky wurde 2021 abgewickelt.
Vier Fragen an Regisseur John C. Donkin und Produzentin Lori Forte
Mrs. Forte, Mr. Donkin, Sie sind beide bereits seit langem mit den »Ice Age«-Filmen verbunden. Wenn ich sage, in »Buck Wild« habe ich eine Figur vermisst, werden Sie sofort wissen, wen ich meine?
(beide lachen)
Forte: Wir wollten eine Geschichte mit Figuren erzählen, die wir lieben und die das Publikum liebt, über die es allerdings noch nicht so viel weiß. Das ist hier einerseits Buck und andererseits sind das Crash & Eddie. Diese drei sind so komisch und zugleich so physisch, dass es für uns nahelag, sich auf sie zu konzentrieren.
Werden wir Scrat zu einem späteren Zeitpunkt wiedersehen – oder aber haben sie den Eindruck, in die verlorene Welt würde er, mit seinem Kampf vor allem gegen das Eis, nicht passen?
Sarah: Nein, der passt überall hin, das geht schon in Ordnung.
Donkin: Er ist noch irgendwo da draußen im Universum.
Das Animationsfilmstudio Blue Sky, das 2002 mit »Ice Age« seinen Einstand gab, wurde zwei Jahre nach der Übernahme von Fox durch Disney aufgelöst. Ich nehme an, zu diesem Zeitpunkt war der Film schon länger in Arbeit?
Donkin: So ist es. Soweit ich mich erinnere, liegen seine Anfänge noch in Fox-Zeiten.
Forte: Es war damals schon in Planung, wurde aber erst jetzt bei Disney umgesetzt.
Machte das irgendwelche Änderungen notwendig? Hatte Disney unterschiedliche Vorstellungen bezüglich einzelner Aspekte?
Forte: Grundsätzlich nicht, denn in den »Ice Age«-Filmen lag der Fokus immer auf der Familie – wie sie wächst und sich verändert. Das entsprach also schon der Disney-Linie. Ich glaube, bei den backstories einzelner Figuren gab es Überarbeitungen, etwa bei Ellie.
Donkin: Ja, wir wollten, dass der Film auch für alle funktioniert, die nicht mit den früheren »Ice Age«-Filmen vertraut sind. Deshalb wurde zu Beginn eine Szene eingefügt, die darüber Auskunft gibt. Andere Änderungen gab es nicht, wohl aber eine, die die ganze Industrie betrifft: die Explosion der Inhalte, der wachsende Bedarf durch neue Plattformen wie die Streamingdienste, die solch einen Ableger eines erfolgreichen Franchises natürlich höchst attraktiv macht.
Forte: John und ich sind ja schon seit zwanzig Jahren mit »Ice Age« beschäftigt und wissen unsere Figuren zu beschützen. Mit einem grundlegend anderen Ansatz hätten wir wohl Schwierigkeiten gehabt.
Ist Scrat also »irgendwo da draußen im Universum«? Zwei Wochen nach dem Interview stieß ich im Internet auf konträre Informationen: zum einen auf eine »Scrat«-Fan-Website, die verkündete, dass am 13. April auf Disney+ eine neue Serie mit sechs Kurzfilmen starten würde, »Ice Age: Scrat Tales«. Zum anderen, dass am 28. Januar – nach einem zwanzig Jahre währenden Rechtsstreit – ein Gericht die Rechte an der Figur Scrat ihrer Schöpferin Ivy Silberstein zugesprochen hätte. Das dürfte durchaus ein Urteil mit Folgen sein, das Künstler in ihren Rechten gegen große Unternehmen stärkt. Der Sendetermin für die Serie wurde auf Nachfrage bestätigt und sie ist mittlerweile auch auf der Seite von Disney+ gelistet. Da darf man gespannt sein.
»Alles verändert sich«, der erste Dialogsatz in »Ice Age – Die Abenteur von Buck Wild«, gewinnt vor diesem Hintergrund jedenfalls erhöhte Bedeutung.
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