Kritik zu Phoenix

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Eine Frau kehrt aus dem Konzentrationslager zurück und sucht ihren Mann, der sie aber nicht erkennt: ­Zusammen mit Nina Hoss und Ronald Zehrfeld spürt Christian Petzold erneut den Bruchlinien der deutschen Geschichte nach, dieses Mal im Nachkriegsdeutschland

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3.8 (Stimmen: 5)

Ein Mann trifft eine Frau, doch statt sich auf sie einzulassen, sie kennenzulernen, beginnt er, sie zu verändern, ihr neue Kleider und eine neue Frisur zu geben, sie neu zu erschaffen nach dem Vorbild einer anderen Frau, die er einst liebte. Kim Novak spielte diese Frau, James Stewart den Mann, 1958 in Hitchcocks »Vertigo«. Jetzt erzählt Christian Petzold diese Geschichte noch einmal völlig neu, er verlagert die Aufmerksamkeit von den Thrillerelementen aufs Seelen­innere, den Ort der Ereignisse von San Francisco nach Berlin, und die Zeit von den 50er Jahren in die 40er Jahre, direkt nach Kriegsende: Wie ist das, aus dem Konzentrationslager zurückzukommen ins Nachkriegsdeutschland? Wie schafft man es, in der Gegenwart anzukommen, wieder eine Brücke in die Zukunft zu finden?

Nach eher zeitlosen Geschichten hatte Christian Petzold in seinem letzten Film» Barbara« mit einer Geschichte über das geteilte Deutschland erstmals historisches Terrain betreten. Jetzt dreht er die Zeitschraube noch weiter zurück, in eine ihm fremde Zeit. Dabei geht es ihm auch hier nicht um die Rekonstruktion der Historie, sondern darum, die ihr innewohnenden Gefühlsuntiefen auszuloten und auf diese Weise behutsam zum Wesen dieser Zeit vorzudringen. Nach der RAF-Thematik in »Die innere Sicherheit« und dem Komplex DDR-Staatssicherheit in» Barbara« erforscht er damit auch eine weitere Bruchstelle der deutschen Geschichte. Und wie schon in» Barbara« spielen auch hier wieder Nina Hoss und Ronald Zehrfeld die brüchigen Nuancen einer komplizierte Paarbeziehung durch, im Kraftfeld von Verdrängung und Sehnsucht, Schuld und Hoffnung, Verrat und Vergebung, Vertrauen und Misstrauen.

Nelly (Nina Hoss) hat das Konzentrationslager überlebt. Als ihre Freundin sie über die Grenze nach Hause holt, ist ihr geschundenes Gesicht notdürftig verhüllt, im deutschen Krankenhaus wird ihr völlig zerstörtes Antlitz wiederhergestellt, und mit den Bandagen, die nach der Operation von ihrem Gesicht nur die Augen und den Mund ahnen lassen, erinnert sie an James Whales »Der Unsichtbare«. Doch was 1933 eine verrückte Science-Fiction-Vision war, ist hier ein starkes Bild für die Auslöschung eines Menschen, der sich eine Identität erst langsam wieder zurückerobern muss. Heftig fordert Nelly beim Chirurgen ihr altes Gesicht wieder ein, und das ist nur das erste Anzeichen dafür, wie verzweifelt sie sich an eine Vergangenheit klammert, die ihre pragmatische Freundin Lene (Nina Kunzendorf) ihr ausreden will. So begibt sich Nelly nach der Entlassung aus dem Krankenhaus unbeirrt auf die Suche nach ihrem Mann Johnny (Ronald Zehrfeld), allen Warnungen zum Trotz, dass er sie am Ende des Krieges verraten habe. Sie findet ihn, doch er erkennt sie nicht, vordergründig weil Nellys Gesicht sich verändert hat, vor allem aber weil ihn seine Schuld blind macht. Stattdessen macht er ihr einen ungeheuerlichen Vorschlag: Sie soll seine verstorbene Frau spielen, damit sie gemeinsam an ihr Vermögen kommen. Der grauenvolle Abgrund, der sich da öffnet, ist der Schauplatz für ein Kammerspiel, in dem Petzold aus der Intimität einer Zweierbeziehung vielschichtige Gedanken zur deutschen Nachkriegsgeschichte destilliert.

Wie schon in »Barbara« bewegt sich Petzold auch hier behutsam durch das Minenfeld der Geschichte. Statt die Zeit akribisch nachzustellen, spürt er dem Zeitgefühl in den tiefen Schichten der Menschenseele nach. Nina Hoss, die hier schon zum sechsten Mal mit Petzold zusammenarbeitet und von ihm sein Medium genannt wird, ist erneut spröde, sperrig und verschlossen, mit Geheimnissen aufgeladen – und doch ein ganz anderer Mensch. Wieder eröffnet das zurückhaltende, wunde Spiel von ihr und Zehrfeld Welten. Im Ringen um eine mögliche Zukunft hat jede ihrer Gesten, Regungen, Bemerkungen einen doppelten Boden. Immer wieder schimmert hinter dem Selbstbetrug einen flüchtigen Moment lang das Erkennen einer anderen Wahrheit auf.

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