Kritik zu Dune

© Warner Bros. Pictures

Das Spice von Arrakis ist das Öl, das die Welt am Laufen hält . . . Denis Villeneuves langerwartete Verfilmung des SF-Kultromans von Frank Herbert spielt mit Motiven, die sich leicht aktualisieren lassen. Und sieht umso aufregender aus, je mehr Sand ins Getriebe gerät

Bewertung: 4
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

Science-Fiction ist Denis Villeneuves Lieblingsgenre. In »Arrival« mit seinen komplex kommunizierenden Aliens hat er es mit der science versucht: Man musste verstehen. In »Dune« muss man: vertrauen. So wie der Held, Paul Atreides, der inmitten eines Sturms das Steuer seines Ornithopters frei- und die Kontrolle aufgibt. Der Junge ist ein Kind der frühen Sechziger mit ihrer Hippie-Esoterik, dem Hang zu bewusstseinserweiternden Drogen und der erwachenden Sorge um die Umwelt – der Whole Earth Catalog, das Organ der Counterculture, soll die »Dune«-Romane gefeiert haben –, und da ist auch eine gute Dosis Humbug im Spiel. Anders als David Lynch in seiner Verfilmung aus den postmodernen 80ern unternimmt Villeneuve keinen Versuch, diese Mischung zu ironisieren oder ins Groteske zu treiben. Er nimmt Frank Herberts monumentale Saga ernst, auch dort, wo die Ökokritik ins Reaktionäre umschlägt (der Autor war kein Linker). Paul Atreides also, gespielt von Timothée Chalamet, hat von seiner Mutter (Rebecca Ferguson) eine übersinnliche Begabung geerbt, von seinem Vater wird er Titel und Macht bekommen: Er ist der Spross eines Adelshauses, das in der technofeudalistischen Gesellschaft einer weit entfernten Zukunft ums Überleben kämpft. Die Mobilität, die ganze Ökonomie dieser Welt gründet sich, ungefähr wie die unseres Ölzeitalters, auf einen Rohstoff: die Spice-Melange, die auf dem Wüstenplaneten Arrakis von den Lehnsherren des »Imperiums« auf Kosten der in den Untergrund gedrängten Einheimischen, der Fremen, abgebaut wird. Paul spielt in der Auseinandersetzung die Schlüsselrolle. Ihm wird geweissagt, er sei der Auserwählte, der die, nun ja, Macht ins Gleichgewicht bringen könnte – unter anderem durch Gedankenmanipulation, ein Tool, das George Lucas für seine Jedi geborgt hat.

Dass Villeneuve ein begnadeter Designer ist, weiß man seit »Blade Runner 2049«, und die magisch beleuchteten neusachlichen Interieurs, die stilisierten Ritterburgen, die er zunächst auf die Leinwand hievt, sehen für sich schon ganz gut aus. Aber es gibt da noch eine interessantere kulturhistorische Linie: Sprachfetzen aus dem Hebräischen und ­Arabischen, »heilige« Palmen vor Stufenpyramiden. Als das Haus der Atreides in einer konventionell unübersichtlichen, lärmenden CGI-Schlacht geschlagen wird und Paul mit seiner Mutter in die Wüste flüchtet, bläst der Wind erst recht aus dem Nahen Osten. Ein Anspielungsraum, in dem die Inszenierung sich sichtbar wohlfühlt und die dem Film seine schönsten Bilder beschert. Die Kamera wühlt sich so leidenschaftlich durch den gelb glühenden Faltenwurf der Sanddünen – gedreht wurde in der jordanischen Rum, wo »Lawrence von Arabien« spielt –, als wären es Bettlaken, die Fremen-Krieger erheben sich wie Chimären aus dem Staub, selbst die ­berüchtigten Riesenwürmer erscheinen majestätisch. Den »spirituellen« Rahmen für diese Ansichten liefert das Motiv des »Mahdi«, auf den die Fremen warten: im Islam ein Nachfahre Mohammeds, der am Ende der Welt für Gerechtigkeit sorgt. 

Das ist in seiner Liebe zum Detail ziemlich verführerisches Worldbuilding und erzeugt das Staunen, das man vom Subgenre Space Opera erwartet. Es spricht auch für Villeneuve, dass er den Merkwürdigkeiten der Vorlage nicht aus dem Weg geht. Viele Spuren werden ausgelegt, Konflikte angerissen, die für heterogene Lesarten offen sind – und zwar sehr pikante, aktuelle. Arabische Kritiker etwa werfen »Dune« kulturelle Aneignung vor, zumal sich in dem sonst diversen Ensemble kein einziger arabischstämmiger Schauspieler findet (wo Omar Sharif war, ist Javier Bardem). Andersherum könnte man es mutig finden, eine Ikonographie in den Mainstream einzuspeisen, die seit 9/11 wie kaum eine andere im Westen Abwehr auslöst. Der Widerstand der Fremen lässt sich als »Antikolonialismus« deuten – oder als Warnung vor asymmetrischen, durch Aufrüstung nicht zu gewinnenden Kriegen wie in Afghanistan. Schließlich ist klar, dass eine auf schlichte Vernutzung natürlicher Ressourcen gebaute Weltökonomie nicht funktioniert. Aber die liebevolle Darstellung der ökologischen Nische, an die sich die Fremen angepasst haben, hat auch ihre Kehrseite: Soll sie uns darauf einstimmen, dass die ­Erde bald eine Hitzehölle sein wird? 

Wie Deneuves popkultureller Dialog mit der arabischen Welt und unserem neuen Ökowiderstand ausgeht, wird man erst wissen, wenn ein zweiter Teil kommt. Bis dahin bleibt »Dune« im Projektstadium. Und das ist vielleicht gar nicht mal so schlecht.

Meinung zum Thema

Kommentare

Es ist schwieirige Übertragung mit Dune aof heutige Zeiten, Geschichte wurde geschrieben 1965 als Ökothemen nicht Bestand gewesen sind von gesellschaftlich Diskussion. Chani ist nicht Greta. Wenn heute Leute sehen parallelen, das ist Zufall oder was Leute wollen sehen. Ich finde sollte man nicht so sehen, Dune Bücher sind Unterhaltung, Filme sind das auch.

Der Bezug ist überhaupt nicht weit hergeholt, denn der Film ist immer auch die Interpretation des Regisseurs, bzw. der Regisseur ist Teil der Gegenwart und kann sich den großen Themen der Zeit nicht entziehen. Dabei ist es völlig egal, ob das so beabsichtigt war oder nicht, das Kunstwerk ist fertig und verlässt seinen Schöpfer, was der Rezipient daraus macht (und dazu gehört auch der Verfasser dieser Kritik) ist ihm völlig freigestellt.

im Original:
https://www.youtube.com/watch?v=EHK5fBm1YWk

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