Film des Monats August »Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien«
Von seinem Vater, einem Apotheker, habe er gelernt, dass man Menschen eine kleine Portion Gift verabreichen muss, um sie zu heilen, sagt der Filmemacher und Aktionskünstler Christoph Schlingensief. So wollte er auch die Wirkungsabsicht seiner Kunst verstanden wissen: seiner Filme, Opern- und Theaterprojekte, seiner Kunstaktionen und Interventionen im öffentlichen Raum, die so radikal waren, dass viele sie als Provokation empfanden. Zum 10. Todestag von Christoph Schlingensief, der in diesem Jahr 60 geworden wäre, kommt nun die Dokumentation der renommierten Editorin Bettina Böhler über ihn in die Kinos. Sie hat selbst mit Schlingensief zusammengearbeitet.
Böhlers Regiedebüt ist ein Montagefilm. Basierend auf umfangreichem Archivmaterial aus vier Jahrzehnten, darunter Ausschnitte aus Schlingensiefs Filmen und Theaterinszenierungen, sowie Fernsehinterviews, zeichnet der Dokumentarfilm ein substanzielles Porträt des Regisseurs. Es ist eine brillante Hommage an einen fulminanten Künstler, der stets vor neuen Ideen sprudelte. Zuletzt wurde er eingeladen, den Deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig zu gestalten.
Schlingensief prägte den politischen Diskurs im deutschsprachigen Raum. Er war unbequem und eckte an. Oft berührte er eine Schmerzgrenze. Ob er sich mit der NS-Geschichte auseinandersetzte oder mit der Gegenwart. Wie etwa mit der originellen Protestaktion, als Schlingensief alle Arbeitslosen einlud, gemeinsam in den Wolfgangsee einzutauchen: Zwei Millionen Menschen, die gleichzeitig baden gehen, würden den Wasserpegel um einen Meter fünfzig ansteigen lassen. Oder die gewagte Aktion im Stadtzentrum von Wien, als er vor einem aus Brettern zusammengezimmerten Verschlag Passanten aufforderte einzutreten, als handele es sich um ein Raritätenkabinett. Hinter Fensterschlitzen säßen Asylbewerber, jeder versehen mit einer Nummer, und die Besucher dürften einen von ihnen auszuwählen, der abgeschoben werden solle. Schlingensiefs Provokationen trafen einen Nerv. Böhlers Dokumentation macht deutlich, wie sehr der widerspenstige Christoph Schlingensief heute fehlt.
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