Kritik zu Cleo
Michel Gondry in Berlin? Erik Schmitt verwandelt in seinem Langfilmdebüt die Hauptstadt in ein Gelände für Märchen und Metaphern
Bei Erik Schmitts Langfilmdebüt muss man sich mit einigem arrangieren: mit einer in Zuckerwatte gehüllten Geschichte, mit überdrehten, schablonenhaften Figuren und einer vor allem am Ende vor Kitsch triefenden Romanze. Cleo zelebriert seine Märchenhaftigkeit explizit in jeder Filmsekunde, und zwar mit der Brechstange. Man kann sich daran und an noch mehr stören. Und doch: Die grenzenlose Fabulierfreude, mit der Schmitt seinen Film erzählt, tröstet über vieles hinweg.
Im Geiste verbrüdert mit Michel Gondry, feiert Schmitt das Kino als Fantasiemaschine. Hier verwandeln sich Gullydeckel in Plattenspieler, Wohnungen in Straßenbahnen, an deren Fenstern die Welt vorbeizieht, Graffitis werden lebendig, kurzum: Hier werden Bild- und Tonebene zur kreativen Spielwiese. Überdies spielt Schmitt in der Montage mit Rhythmus und Zeit. Letztere ist denn auch das eigentliche Thema der Geschichte. Denn die von Marleen Lohse gespielte Titelheldin wünscht sich nichts sehnlicher, als Vergangenes ungeschehen zu machen, nachdem die Mutter bei ihrer Geburt gestorben und der Vater bei einer von ihr initiierten Schatzsuche verunglückt ist.
In den ersten zwölf Filmminuten reißt Schmitt die Vorgeschichte seiner Heldin ab und vermengt ihr Schicksal in flirrenden Bildern mit Berliner Zeitgeschichte. Zusammengehalten wird alles von einem Geschichtenerzähler, der später als Archivar auftritt. Am Ende der rasanten Exposition legt sich Kinder-Cleo ins Bett und wacht auf als jene verträumte Frau, als die wir sie dann kennenlernen. Sie meidet Menschen, arbeitet in einem Büro für Stadtführungen und unterhält sich, wie als Kind schon, mit verstorbenen Promis wie Albert Einstein.
Als schließlich der Schönling Paul (Jeremy Mockridge) mit einer Schatzkarte in Cleos Büro steht, geht es auf die Suche quer durch die Hauptstadt. Die beiden wollen die Beute der legendären Geldschrankknackerbrüder Sass finden, unter der sich eine magische Uhr befinden soll, mit der die Zeit zurückgedreht werden kann. Mit an Bord holen sich Cleo und Paul ein schräges Duo, das sie in einer Kaschemme aufgabeln: Günni (wie immer herrlich: Heiko Pinkowski), ein ehemaliger Bombenentschärfer mit Holzbein, und sein Kumpel Zille (Max Mauff), der seit einem Unfall Gedächtnisprobleme hat und am liebsten Döner isst und Dinge sprengt.
Im Märchenmodus spürt »Cleo« nach der Seele der Hauptstadt. Neben den historischen Persönlichkeiten, die auftauchen, wird der Berliner Teufelsberg zur Metapher für den Umgang mit Geschichte. Denn der Schatz soll sich mittendrin befinden in diesem aus Trümmerteilen aus dem Zweiten Weltkrieg aufgeschütteten Berg, in dem eine alte Wehrtechnische Universität aus der NS-Zeit begraben liegt und auf dessen Gipfel die Ruine einer nach dem Krieg gebauten Abhöranlage steht.
Bei aller belehrender Attitüde stimmt die Botschaft von »Cleo« natürlich, denn Geschichtsrevision kann nicht die Lösung sein. Und natürlich siegt die Liebe, ohne die »diese Stadt eine Wüste« wäre, wie es einmal heißt. Wie wahr.
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