Kritik zu Eine respektable Familie

© Persian Film Festival

2012
Original-Titel: 
Une famille respectable
Filmstart in Deutschland: 
22.06.2017
V: 
L: 
90 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Im iranischen Film kann man immer wieder Entdeckungen machen. Wie dieses sehr kritische Debüt, das 30 Jahre iranische Geschichte in die Form einer überlegt konstruierten Familienchronik gießt, dabei aber ganz gegenwärtig ist

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Mit fünf Jahren Verspätung kommt »Eine respektable Familie«, der Debütfilm des iranischen Regisseurs Massoud Bakhshi, in unsere Kinos, und man ahnt die Gründe bereits nach wenigen Minuten. Ein Mann steigt in ein Taxi; auf die Frage, ob der Fahrer noch einen weiteren Gast mitnehmen kann, ein durchaus übliches Verfahren im Iran, antwortet er mit Ja. Wenig später wird er überwältigt und in die Dunkelheit geschleift. Diese Szene eröffnet einen Film, der dem strengen Regime im Iran nicht gepasst haben dürfte. Regisseure wie Jafar Panahi sind schon für viel weniger drastische Bilder und kritische Töne verhaftet und mit Berufsverbot belegt worden.  Und so wie Bakhshi seine Exposition konstruiert, wird deutlich, dass diese Form der Entführung keine Ausnahme darstellt.

Der iranische Wissenschaftler Arash ist nach 20 Jahren in Paris in seine Heimatstadt Shiraz zurückgekehrt. Angeblich hat ihn die Universität für einen Lehrauftrag eingeladen, doch bald stellt sich heraus, dass niemand an seinen kritischen Schriften interessiert ist. Die Universität verhindert sogar, dass er diese als Kopien an die Studenten verteilt. Frustriert kündigt er seine Rückkehr nach Paris an, da begegnet ihm ein Neffe, an den er sich nicht erinnert.  Er ist der Sohn seines Halbbruders Jafar, der die Einladung lanciert hatte, um an das Erbe des gemeinsamen Vaters zu kommen, das dieser Arash als eine Art Wiedergutmachung vorab schenken wollte. Schon lange hatten Arash und seine Mutter keinen Kontakt mehr zum Vater, der den Tod seines erstgeborenen Sohnes im Irakkrieg zu Propagandazwecken ausgeschlachtet hatte und damit reich geworden war. Als Arash sich weigert, mit dem »Blutgeld« umzugehen, werden die Methoden seines Neffen immer skrupelloser.

Die Handlung des Films spielt während der Massendemonstrationen der sogenannten »Grünen Bewegung« im Sommer 2009. Aber in kunstvoll verschränkten Rückblenden erzählt Bakhsh die jüngere Geschichte des Iran als Familiengeschichte. Die Machtübernahme der Ayatollahs, der Krieg gegen den Irak, die Einschränkungen unter dem Mantel des Islam – all das verbindet er mit der Geschichte eines scheiternden Professors. Dazu benutzt er erstaunliches Dokumentarmaterial aus den 30 Jahren der Republik Iran. Auch für Nichteingeweihte entwickelt sich hier eine besondere Familienchronik, die ebenso von Gewalt geprägt ist, von der Unterdrückung der Frauen und der Korruption wie die Geschichte des Staates Iran. In dem Konflikt mit dem Neffen, der um das Geld des Onkels kämpft, finden sich geheimdienstliche Strukturen wieder. Aus dem harmlos wirkenden Verwandten wird ein Funktionär mit großer staatlicher Macht. Und wenn am Schluß ein völlig gebrochener, westlich denkender Wissenschaftler ohne Pass und ohne Geld das Auto, das ihn zum Flughafen bringen soll, verlässt und den Demonstranten der »Grünen Bewegung« entgegenläuft, dann ist das ein zutiefst pessimistisches Bild. Die Hoffnungen auf einen demokratischen Iran sind die Illusionen eines zerstörten Menschen.

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