Kritik zu Diamond Island

Trailer OmeU © Verleih

2016
Original-Titel: 
Diamond Island
Filmstart in Deutschland: 
19.01.2017
L: 
99 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Der mit einem Dokumentarfilm zur kambodschanischen Filmgeschichte bekannt gewordene Davy Chou legt sein Spielfilmdebüt vor, in dem er von den Hoffnungen und Ängsten junger Männer in Kambodschas Hauptstadt erzählt

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»On the edge of Phnom Penh, cross a bridge and enter the future of Cambodia«, heißt es vollmundig in einem Videospot, der für ein gigantisches Neubauprojekt in einer Flussbiegung am Rande der kambodschanischen Hauptstadt wirbt und den Erwerbern der hier entstehenden Luxus­immobilien »ewigen Wert und unbegrenztes Wachstum« verspricht. Doch erstmal muss Diamond Island gebaut werden. Die Bauarbeiter für die noch weitgehend per Hand verrichteten Arbeiten rekrutieren sich ein Vierteljahrhundert nach dem kapitalistischen Neubeginn noch immer vor allem aus den bäuerlichen Teilen des Landes.

Einer dieser jungen Männer und seine Clique spielen die Hauptrolle in dem ersten Spielfilm des jungen französisch-kambodschanischen Regisseurs Davy Chou. Es sind hübsche Jungs mit noch fast kindlicher Verspieltheit, denen die harte Arbeit noch nicht ihren Übermut genommen hat. Sie hausen in schäbigen Containersiedlungen neben der Baustelle und vergnügen sich nach der Arbeit beim Herumhängen und Herumfantasieren: über bessere Arbeitsmöglichkeiten anderswo und die vielen hübschen jungen Frauen, die es gleichfalls in die Hauptstadt verschlagen hat. Oder zumindest vor ihre Tore, denn der Weg von Diamond Island über die Brücke ins Zentrum macht nicht wirklich Sinn, wenn man nur 150 Dollar im Monat verdient und nicht mal ein Motorrad hat. Das bräuchte man auch, um bei den Mädchen zu reüssieren.

Bora bekommt eines ausgeliehen von einem verschollenen Bruder, den er – mitsamt fescher Freundin – unversehens eines Abends trifft. Der war einst in die Stadt abgehauen und gibt sich nun als Student aus, der Unterstützung von einem mysteriösen philan­thropischen Gönner in den USA samt eventueller Ausreisemöglichkeit hat. Die Hoffnung erweist sich ebenso als Trugschluss wie mögliche Erwartungen des Zuschauers auf eine große dramatische oder gar kriminalistische Intrige. Zum Glück, denn Chous Film schaut stattdessen umso intensiver auf die kleinen Dramen im Alltag der von Nichtprofis lebendig gespielten jungen Männer zwischen familiärer Bindung und Aufbruch.

Wesentlicher Mitakteur ist dabei die Örtlichkeit selbst, deren scharfe Kontraste Kamera und Farbgestaltung wirkungsvoll ins Licht setzen: architektonische Brutalität unter sengender Sonne. Sanfte nächtliche Intimität. Ein Ballett von Motorrädern im lichtdurchflirrten Raum der Verheißung, der manchmal durch einen Song zum Tableau stillgestellt wird. So lernt man unter anderem die kambodschanische Version des 60er-Jahre-Songs »Quando, quando, quando« kennen.

Chou kennt die kambodschanische Filmgeschichte und ist als Enkel des legendären Produzenten Vann Chan selbst persönlich in ihr verwurzelt. Vor vier Jahren hatte er sein Filmdebüt mit einem wunderschönen und klugen Dokumentarfilm über die unter Pol Pot fast komplett zerstörte, reiche Filmgeschichte des Landes gegeben. Die neue Blüte des asiatischen Films ist bisher in Kambodscha noch nicht angekommen. »Diamond Island« macht Hoffnung, dass sich das ändern könnte.

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