Kritik zu Vor ihren Augen
Das hochkarätig besetzte Remake des oscarprämierten argentinischen Thrillers »El secreto de sus ojos« setzt mit Chiwetel Ejiofor, Julia Roberts und Nicole Kidman auf Starpower
Lassen Sie uns zu Beginn ganz kurz abschweifen: Es gibt da dieses berühmte Zitat von George Lucas bei den Dreharbeiten zu »Star Wars – Episode 1«. Immer wieder lässt er eine Szene wiederholen, denn der Maestro ist noch nicht zufrieden. »Do it again – but better«, raunt er Hauptdarsteller Ewan McGregor an, der schulterzuckend auf dem Set hin und her schleicht. Warum der Vergleich zur berühmten Sternensaga? Ähnliche Ratlosigkeit verspürt man nun auch beim US-Remake von »El secreto de sus ojos«. Noch einmal machen! Aber besser! Das hollywoodsche Remake-Credo ist in der Theorie ein gutes und profitables Geschäftsmodell. In der Praxis aber oft ein Reinfall.
Dabei gelingt Regisseur und Autor Billy Ray (der auch die Skripte zu »Captain Phillips« und »Die Tribute von Panem« schrieb) zunächst ein Kunstgriff: Spielte die Handlung des Originals mit dem Klima der Angst während der argentinischen Militärdiktatur, setzt die Geschichte hier kurz nach den Anschlägen vom 11. September ein. Die FBI-Agenten Kasten (Chiwetel Ejiofor), Cobb (Julia Roberts) und eine Staatsanwältin (Nicole Kidman) ermitteln gegen Islamisten einer örtlichen Moschee in Los Angeles, die gewillt sind, brisante Details über eine Terrorzelle auszuplaudern. Kurz vor dem Durchbruch kommt dem Trio eine Leiche dazwischen – die Tochter von Cobb wird tot in einer Mülltonne aufgefunden.
Galant spielt der Film fortan mit zwei Zeitebenen: Die eine zeigt die vergeblichen Versuche, den Peiniger zu finden, die andere setzt 15 Jahre später an, als das einstige Trio noch einmal zusammenkommt, um den Fall ein weiteres Mal aufzurollen. Und wie im argentinischen Original gerät auch hier der Subtext zur eigentlich relevanten und spannenden Komponente. Inwieweit wird die Rechtsstaatlichkeit in Zeiten des Terrors außer Kraft gesetzt? Ein formidabler FBI-Boss (schön kratzbürstig: Alfred Molina) erschwert hier bewusst die Ermittlungen, als sich der Mordverdächtige gleichzeitig auch als Terrorzelleninformant entpuppt. Vergewaltigungen, Raub und Mord: Nur Kollateralschäden und kleine Opfer, die man erbringen und erdulden muss, um das größere Ganze nicht zu verlieren. Doch dieser atmosphärische Überbau verpufft, als der Thriller mit den bewährten Mitteln des Cop-Movies ausstaffiert wird. Die Zuschauer sind dem Täter auf der Spur, immer wieder entkommt er knapp – und zur Filmmitte hat man den »war on terror« längst vergessen.
Bei der argentinischen Vorlage war das anders: Das kalte Paranoiaklima zog sich hier beständig durch die Erzählung, und die Strahlkraft des Antagonisten wirkte viel bedrohlicher, weil er sich so unauffällig in der Anonymität des Alltags eingerichtet hatte. Fast schon ärgerlich und unfreiwillig komisch an der amerikanisiserten Neufassung ist zudem die Rolle von Michael Kelly: In »House of Cards« eindrucksvoll als Stabschef des US-Präsidenten für die moralbefreite Drecksarbeit zuständig, bleibt er hier als korrupter FBI-Agent gleichsam stoisch in derselben Rolle. Do it again, but the same way. Daran hätte bestimmt auch George Lucas seine Zweifel.
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