Kritik zu Zwischen uns
Das mit Liv Lisa Fries, Jona Eisenblätter und Thure Lindhardt sympathisch besetzte Regiedebüt des Editors Max Fey erzählt, wie eine alleinerziehende Mutter versucht, ihrem autistischen Sohn ein möglichst autonomes Leben zu ermöglichen
Draußen, in der Schule, auf den Straßen, dominieren gedeckte, kühle Farben, Grau, Blau, Grünbraun. Das Zimmer des dreizehnjährigen Felix dagegen erglüht in einem warmen, weichen Dunkelrot, wenn er sich zurückzieht oder seine Mutter Eva ihm gute Nacht wünscht: eine fensterlose, kleine Höhle, ein Schutzraum, ein Nest. Felix hat Asperger, eine psychische Störung im autistischen Spektrum; äußere Reize überfordern ihn, schon gar der Rummel an der inklusiven Schule, auf der er nach mehreren Fehlversuchen gelandet ist. Die alleinerziehende Eva reibt sich an der Situation auf, rast mit dem Moped (auch rot) vom Job zur Schule, kämpft mit verständnislosen Mitmüttern und Lehrerinnen, besorgt Betreuung, versucht, die immer wieder auftretenden nervösen Wutausbrüche des Jungen in den Griff zu bekommen. Dass das Leben der beiden nicht völlig aus dem Ruder läuft, verdanken sie einem Nachbarn: Pelle, der im Fischhandel arbeitet, gelingt es auf pragmatische, selbstverständliche Art, eine Beziehung zu Felix aufzubauen.
»Zwischen uns« ist ein passender Titel für Max Feys introvertiertes, sparsames Drama, das sich weigert, ein Film »über Autismus« zu sein, diesem Thema aber auch nicht entkommt. Wenige erklärende Passagen, Krisengespräche in der Schule, eine Sitzung mit einer Therapeutin, werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Sind die Wutausbrüche, der Hang des Jungen zu gewalttätigen Ausrastern, eine typische Begleiterscheinung von Autismus? Wissenschaftlich scheint das nicht belegt zu sein. Hätte man die von dem erfahrenen Kinderdarsteller Jona Eisenblätter gespielte Hauptrolle mit einem Betroffenen besetzen können? Tatsächlich gibt es heute hoch prominente Schauspieler, die als autistisch diagnostiziert wurden, darunter Anthony Hopkins, Daryl Hannah und Dan Aykroyd. Angesichts der trotz Schulbegleiterin unlösbaren Probleme des Jungen in der Klasse schließlich könnte das Publikum denken, dass das Konzept inklusive Schule per se zum Scheitern verurteilt ist.
Weniger rätselhaft und problematisch erscheint der Film, wenn er den Fokus von Felix und seinem Verhalten auf das seiner Umgebung verschiebt. Je länger die Kamera den Figuren folgt, je tiefer sie sich etwa in der Beziehung der Kleinstfamilie zum entspannten Nachbarn einnistet, desto stärker drängt sich das Gefühl auf, dass dieser Junge, nicht zuletzt von seiner Mutter, permanent pathologisiert wird; zu selten fragt sich jemand, was er will, zu oft geht es darum, was er kann. Felix funktioniert indes sehr gut, wenn er seinen Interessen – Zeichnen, irgendwann auch Fische – nachgeht, wenn man ihn in Ruhe lässt. »Zwischen uns« wäre so gesehen ein Film um einen »neurodiversen« Helden – ein Konzept, das psychische Phänomene wie Depression, Autismus, ADHS nicht als Störung fasst, sondern als eigentümliche Formen der »Hirnverdrahtung«, die einfach nicht der Norm entsprechen. Eva, die liebende, fürsorgliche Mutter, muss irgendwann begreifen, dass ihre Vorstellung von Harmonie mit Felix nicht zu realisieren ist. Das Kind muss raus aus der rot glühenden Gebärmutterhöhle.
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