Kritik zu Zum Tod meiner Mutter

© Grandfilm

Jessica Krummacher unternimmt in ihrem zweiten Spielfilm ausgehend von ­eigenen Erfahrungen eine intensive Annäherung an das Thema Tod

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Es ist eine unausweichliche Tatsache. Jeder ist sich ihr bewusst. Das Wissen um die eigene Endlichkeit ist das, was den Menschen zum Menschen macht. Und dennoch bleibt der Tod etwas Abstraktes. Er betrifft nur die anderen. »Zum Tod meiner Mutter« nimmt jene überaus konkreten Dinge in den Blick, die mit dem Ableben eines Menschen einhergehen. Das geht unter die Haut.

Es ist die Geschichte der erst 64-jährigen Kerstin. Sie ist todkrank, es gibt keine Hoffnung. Sterbehilfe? Ist in Deutschland nicht erlaubt, erklärt zu Beginn der Arzt. Das katholische Pflegeheim, in dem sie ihrem Ende entgegensieht, macht die Sache nicht einfacher. Kerstins einzige Möglichkeit, das qualvolle Siechtum zu verkürzen, besteht in der selbstbestimmten Verweigerung von Nahrung und Flüssigkeit.

Sterbehilfe ist aber nur ein Randthema. In ihrem zweiten Spielfilm erzählt Jessica Krummacher den Tod ihrer eigenen Mutter mit fiktionalen Mitteln nach. Der Film schaut auf das Sterben aus den Augen der Tochter Juliane (Birte Schnöink), deren tägliche Besuche im Krankenzimmer mit Waldspaziergängen und Besuchen bei Freunden und Bekannten abwechseln. Wird der Tod thematisiert, dann verstummt jeweils das Gespräch. Man greift zum Weinglas oder produziert Plattitüden. Das zuweilen laienartig anmutende Spiel der Darsteller passt irgendwie zum Thema. Es entsteht die dokumentarisch anmutende Stimmung einer Trauerfeier, auf der man sich vorkommt wie im falschen Film.

Nein, ein Feelgoodmovie ist das wirklich nicht. Selbst in jener komischen Szene, in der Juliane in Helmut Kohls Lieblingsrestaurant Saumagen serviert bekommt, bleibt die Stimmung bedrückend. Was Jessica Krummacher hier unternimmt, ist eine schmerzlich intensive Annäherung an den Tod. Die Szenerie erscheint oft statisch, als wären die Bilder eingefroren. So wird das Ableben im Gegensatz zu vielen Sternedramen nicht melodramatisch versüßt. Die Darstellung der Agonie durch die niederländische Darstellerin Elsie de Brauw als Kerstin trägt dazu bei. Die Szenen im Pflegeheim sind meist auf den Punkt genau. Man riecht förmlich diese unvergessliche Mischung aus Desinfektionsmitteln und menschlichen Ausscheidungen. Allein die Pflegerin, die zwischendurch ein euphorisches Klavierstück anstimmt, erscheint zuweilen etwas zu engelhaft.

Auch jene wiederholten Einstellungen, die die Tochter im Krankenbett innig neben der Mutter liegend zeigen, idealisieren den Abschied ein wenig. Die Kurve bekommt dieser Autorenfilm immer dann, wenn er das Unvorstellbare in Bildern einzufangen versucht. Berührend ist jene Szene, in der Juliane vor der Tür eine Zigarette raucht – und sich dabei versehentlich aus dem Gebäude ausschließt. Diese freudsche Fehlleistung überzeugt als indirekte Darstellung des Unfassbaren. Nicht zufällig wird die Mutter just in dem Moment für immer die Augen schließen, wenn die Tochter erschöpft in den Schlaf gesunken ist: Für den Tod, so das Fazit, gibt es keine Bilder. Diese Unmöglichkeit des direkten Hinsehens umkreist der Film behutsam und quälend intensiv zugleich.

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