Kritik zu Zero Days
Der globale Cyberwar hat längst begonnen: Alex Gibney entwirft anhand der Geschichte des Computerwurms »Stuxnet« das Szenario einer neuen Form der Kriegführung
Im Jahr 2010 entdeckten IT-Sicherheitsexperten ein Schadprogramm, das viele Millionen Rechner weltweit infiziert hatte. »Stuxnet« war ein hochkomplexer, mit immensem Aufwand programmierter Computerwurm mit potenziell verheerenden Auswirkungen, war er doch in der Lage, aus dem virtuellen Raum heraus in die »wirkliche Welt« einzugreifen und Steuerungsanlagen in Großbetrieben zu manipulieren: Pipelines, Wasserwerke – oder auch Atomanlagen. Was genau er aber bezweckte und wer ihn hergestellt hatte, blieb zunächst rätselhaft, es sprach aber vieles dafür, dass es sich um das Werk von staatlichen Geheimdiensten handelte.
Alex Gibney, Oscarpreisträger für »Taxi to the Dark Side« (2008) und von ungeheurer Produktivität – seit 2013 hat er sieben lange Filme veröffentlicht –, gestaltet seine filmische Recherche zu Stuxnet und den Gefahren des Cyberwar denn auch wie einen Agententhriller im Doku-Gewand. »Talking heads« wechseln in rasanter Montage mit Archivmaterial, bewegten Graphiken und atmosphärischen Bildern, angetrieben von dramatischer Musik.
Schon die Exposition zeigt Bilder von Attentaten auf iranische Atomforscher; sie stammen aus einer Doku des iranischen Staatsfernsehens. Dann lässt Gibney Stuxnet-Entdecker und –Experten von Firmen wie Kaspersky und Symantec von ihrer Spurensuche berichten, als spannende Entdeckungsreise in die Welt der Codes, als eine Art Textexegese, bei der Charakteristika und mögliche Herkunft jedes kleinen Bestandteils des Programms analysiert werden. Die Spur führt zu CIA, NSA und Mossad. Die Indizien sprechen für ein Gemeinschaftsprojekt westlicher Geheimdienste mit dem Ziel, die iranische Urananreicherungsanlage in Natanz zu zerstören, um zu verhindern, dass der »Schurkenstaat« atomwaffenfähiges Material herstellt. An dieser Stelle der Detektivarbeit fällt der Schleier der Geheimhaltung. Obwohl sogar ehemals hohe Tiere der im Verdacht stehenden Dienste sich zum Interview zur Verfügung stellen, heißt es immer öfter: »Kein Kommentar.
Gibney weiß sich allerdings aus dieser Sackgasse zu befreien, indem er Whistleblower ins Spiel bringt. Mit einem inszenatorischen Taschenspielertrick, der hier nicht verraten sein soll, doch immerhin am Ende des Films enthüllt wird, präsentiert er brisantes Insiderwissen. Es sind beunruhigende Hinweise auf eine neue Art der Kriegführung, die im virtuellen Raum ansetzt, doch tödliche Auswirkungen auf die Infrastruktur haben kann: entgleisende Züge, kollabierende Wirtschaftssysteme, explodierende Atomkraftwerke. Zero Days entwickelt sich da zu einem Plädoyer für ein neues Recht, das jenem bislang gesetzlosen Raum der Kriegführung klare Regeln setzt.
So brisant allerdings sein Thema ist und so packend der Film davon erzählt, so unbefriedigend bleibt er letztlich. Sensationalismus und Oberflächenreize dominieren, seine Argumentation ist teils redundant, und oft lässt er im Unklaren, was gesichertes Wissen und was bloße Spekulation ist. Das hochkomplexe Sujet hätte etwas weniger James Bond und wesentlich mehr Differenzierung und Reflexion erfordert.
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