Kritik zu Zeit für Utopien
Kurt Langbein (»Landraub«) stellt in seinem neuen Dokumentarfilm Modelle einer »solidarischen Landwirtschaft« und andere Nachhaltigkeitsprojekte vor
Eine der langwährendsten Traditionen der Gesellschaftskritik schreibt vor, dass man nicht immer nur kritisieren darf. Man soll auch Lösungen aufzeigen und Positives benennen. Der österreichische Journalist und Filmemacher Kurt Langbein liefert mit seinem neuesten Dokumentarfilm genau das: lauter Beispiele für Initiativen und Projekte, die unsere Welt verbesserund vor allem nachhaltiger gestalten sollen. Den Anfang macht eine Frau namens Petra Wähning, die davon erzählt, wie unglücklich sie als Werbeverkäuferin in der TV-Branche war und wie sie für sich neue Perspektiven in der »solidarischen Landwirtschaft« entdeckte. Mit Wähning gewissermaßen als Zuschauer-»Stand-in« reist Langbein dann um die Welt, um sich in Korea eine Food-Kooperative, in der Schweiz ein Wohnprojekt oder in Österreich eine Produzenten-Käufer-Vereinigung für biologische Landwirtschaftsprodukte anzuschauen. Eine andere engagierte Frau, Laura Gerritsen, begleitet Langbein in die Goldminen Ugandas und Fabriken Chinas, um den Aufbau einer Fertigungskette für nachhaltigere Smartphones zu verfolgen. Zwischendurch macht er Station in Frankreich, wo Unilever eine Teefabrik schließen wollte – bis die Arbeiter sie selbst übernahmen, um sie nun in Eigenregie zu führen. Und damit der Zuschauer über all den positiven Beispielen nicht vergisst, wogegen sich die schönen Ideen eigentlich richten, erklärt Journalistin Ulrike Herrmann mit Börse im Hintergrund, dass die Profitgier des Kapitalismus an ihr Ende kommen müsse.
Das Schöne an »Zeit für Utopien« ist, dass Langbein sich Zeit nimmt für die einzelnen Projekte. Deren Vertreter kommen ausführlich zu Wort; Einzelheiten werden erklärt und gepriesen. Manche wundern sich, dass es ohne »Gier« funktioniert, aber auch dazu gibt es Untersuchungen: Die
Lust zu teilen sei dem Menschen angeboren. Bei so viel Überzeugung und Optimismus erscheint es leider als verpasste Chance, dass Langbein so wenig kritische Nachfragen stellt. Den jeweiligen postulierten Erfolg nimmt er stets für bare Münze, keinem seiner Protagonisten mutet er ein kritisches Gegenargument zu, das über »Man hat gedacht, es würde nicht funktionieren« hinausgeht. Dabei wäre es spannend gewesen, etwa die Nahrungsmittel-Kooperativen mit Fragen wie »Wer kann sich die Mitgliedschaft leisten?« und »Welche Auswirkungen hat das für den größeren Zusammenhang?« zu konfrontieren. In ähnlicher Weise hätte man gerne mehr ökonomische Details erfahren über das nachhaltige Smartphone und seine Chancen auf dem Weltmarkt: Ist das eine zum Nischendasein verurteilte gute Idee wie fair gehandelter Kaffee, oder gibt es Potenzial zum Schulemachen? Und überhaupt: Könnten die vorgestellten Produktions-, Arbeits- und Konsumweisen bei größerer Verbreitung tatsächlich etwas gegen Klimawandel und Nord-Süd-Differenz ausrichten?
Mit seiner positiv gestimmten Herangehensweise ist Langbein mit »Zeit für Utopien« zwar ein inspirierender Film gelungen, aber er läuft auch Gefahr, sich selbst in eine Nische zu stellen: als Film für die sowieso schon Überzeugten.
Kommentare
... die sowieso schon Überzeugten
schauen sich diesen Film allemal gerne an. Doch auch die, die es noch nicht verstanden haben, dass der Kapitalismus exponentiell auf sein Ende zusteuert, werden spätestens, nach dem die fehlenden Rohstoffe nicht mehr in ihren Autos und Kühlschränken landen, nach genau solchen "Utopien" Ausschau halten. Und was kritisches Hinterfragen angeht sollte die Autorin vielleicht mal lieber bei der Geopolitik und -strategie beginnen.......
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