Kritik zu Welcome to Karastan
Einen britischen Regisseur in Schaffenskrise verschlägt es in eine fiktive kaukasische Republik. Verrottete Plattenbauten, korrupte Uniformträger und jede Menge Wodka bestimmen einmal mehr das satirisch überzeichnete Bild des wilden Ostens
Schriftsteller und Drehbuchautoren mit Schreibblockade sind ein beliebtes Filmsujet. Schließlich gehört die Furcht vor Ideenlosigkeit und kreativer Impotenz zu den Urängsten dieser Profession, in der schöpferische Krisen nur zu schnell im beruflichen Abseits enden können. Der Held von Ben Hopkins' Welcome to Karastan Emil Forester (Matthew MacFadyen) ist ein mehrfach ausgezeichneter Autorenfilmer, der schon seit vielen Jahren kein neues Werk zustande gebracht hat und als Ehrengast zum (fiktiven) »1. Palchik International Filmfestival« eingeladen wird. Die (fiktive) autonome Kaukasusrepublik Karastan steht seit kurzem unter der Führung von Präsident Abashiliev (Richard van Weyden) – einem weltgewandten Mann, der lange Zeit im britischen Exil gelebt hat und nicht zufällig in Aussehen und Kleidung an den früheren afghanischen Präsidenten Hamid Karzai erinnert. Emil soll nun für den Präsidenten ein Nationalepos drehen, mit dem das zerstrittene Land auf einen Volkshelden aus grauer Vorzeit eingeschworen werden soll. »Identität ist alles«, doziert der weise Machthaber – eine Argumentation, der sich Emils schwankendes Selbstbewusstsein nicht ganz verschließen kann. Und so wird der britische Arthouse-Regisseur zum Auftragsfilmemacher, der mit einem großzügigen Budget und Unterstützung des Militärs einen künstlerisch anspruchsvollen Erbauungsfilm drehen soll.
Zweifellos arbeitet Ben Hopkins in Welcome to Karastan mit autobiografischen Bezügen, die er mit Genuss ins Skurrile überformt. Ähnlich wie sein filmisches Alter Ego Emil gelang Hopkins mit Die neun Leben des Tomas Katz (2000) ein internationaler Independent-Erfolg, wonach die Karriere mit der Dokumentation 37 Arten ein Schaf zu nutzen (2006) und seinem letzten Spielfilm Pazar (2008) deutlich zu bröckeln begann. Auch wenn der Wille, der eigenen kreativen Krise mit einem selbstironischen Lächeln zu begegnen, sicherlich ein sympathischer Therapieansatz ist, kann der Patient nach Welcome to Karastan noch nicht als vollkommen geheilt entlassen werden. Zwar ist die Figur des grundverunsicherten Filmemachers sehr genau gezeichnet, und auch die Schilderungen der Absurditäten des internationalen Festivalbetriebs verraten profundes Insiderwissen. Aber in der skurrilen Schilderung der Verhältnisse in der fiktiven kaukasischen Republik reicht der Film doch selten über die altbewährten Borat-Klischees hinaus. Schnauzbärte, verrottete Plattenbauten, korrupte Uniformträger, undurchsichtige Machtstrukturen und jede Menge Wodka bestimmen auch hier das satirisch überzeichnete Bild des wilden Ostens. Daran konnte auch die Drehbuchbeteiligung des polnischen Kollegen Pawel Pawlikowski, der für Ida gerade mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, wenig ändern. Hopkins gelingt es leider nicht, die selbst gewählte Tonlage zwischen Melancholie und Groteske richtig zu treffen. Vor allem im letzten Drittel des kompakten 96-Minuten-Formats verliert der Film gerade in der Kulmination der Ereignisse spürbar an Originalität.
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