Kritik zu Vollblüter
Kalt, kälter, reiche Teenager: Im atmosphärischen Thrillerdebüt des Bühnenautors Cory Finley planen zwei höhere Töchter den perfekten Mord
Dass »Vollblüter« ursprünglich als Theaterstück konzipiert war, leuchtet sofort ein. Als strenges, fein austariertes Psychoduell, das mit nur einem Schauplatz auskommt und das eigentliche Geschehen elliptisch ausspart, hätte der Stoff auf der Bühne sicher gut funktioniert. Glücklicherweise hat der Film, zu dem der junge Autor und Regisseur Cory Finley sein Projekt weiterentwickelt hat, überhaupt nichts Theatralisches. Finley verfügt über großes visuelles Gespür, er erzählt mit schwereloser Kamera, eleganten Breitwandkompositionen, soghaften Zeitlupen, und er weiß auch die düster-experimentelle Musik von Erik Friedlander geschickt einzusetzen. So entsteht von der ersten Minute an eine kühl-beklemmende Thrilleratmosphäre, in der jederzeit Überraschendes geschehen kann.
Die Geschichte spielt in einem Reichenviertel irgendwo in Connecticut und dort zumeist in einem Haus, dessen klassisches Mobiliar und opulenter Garten von altem Geld erzählen – so viel altem Geld, dass über dessen Herkunft und Existenz nicht ein Wort verloren werden muss. Zwei Teenager treffen sich dort zur Nachhilfestunde.
Die eine, Amanda (Olivia Cooke), hat über die Jahre gelernt, Gefühle zu simulieren, die sie selbst nicht empfinden kann. Offenbar hat sie ein Pferd auf dem Gewissen (der Film begnügt sich mit Andeutungen) und ist in psychologischer Behandlung. Die andere, Lily (Anya Taylor-Joy), ist eher das Gegenteil, brodelnd vor Emotionen, aber zu scheu, um sie zu zeigen. Die jungen Frauen kennen sich seit frühen Kindertagen, sind aber keine Freundinnen. Und so schildert »Vollblüter« zunächst ihre verquere, von Vorbehalten geprägte Annäherung: Wer dominiert, wer lügt, wer führt was im Schilde und warum?
Die Exposition ist raffiniert und konzentriert, ein wunderbares Spiel der Andeutungen und des indirekten Erzählens. Cooke und Taylor-Joy transportieren auf ihre jeweilige, sehr unterschiedliche Weise jenen Ennui und Lebensekel, den das Überflussmilieu zwangsläufig hervorzubringen scheint. Beide wirken sinister und abgründig, gefährlich und zu allem fähig. Sie waren jung und brauchten . . . ja was eigentlich? Eine Mission natürlich – einen Pakt, der an James M. Cain und Patricia Highsmith erinnert: Man könnte schließlich den bösen Stiefvater (Paul Sparks) umbringen oder – besser noch – umbringen lassen, zum Beispiel von jenem windigen Drogendealer (Anton Yelchin in einer seiner letzten Rollen), der den reichen Kids bei ihren Partys auflauert.
Bei der Ausführung dieses Plans kommen die beiden Protagonistinnen dann leider ebenso von der Spur ab wie der Film als Ganzes. Schon die Szene, in der Amanda und Lily ihren Erfüllungsgehilfen gefügig machen, wirkt mit ihrer ungelenken Tapsigkeit wie ein erster Fremdkörper in der Dramaturgie. Und wenn sich die Tonlage gegen Ende dann immer mehr verschiebt – statt Hitchcock dann doch eher Haneke, statt Film noir dann doch eher bemühter Mindfuck –, mündet das vielversprechende Debüt in ein unbefriedigendes Finale.
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