Kritik zu Venom

© Sony Pictures

Trifft die Verfilmung einer zeitgebundenen Comicvorlage erst mit ein paar Jahrzehnten Verspätung ein, machen die Protagonisten schnell einen verlorenen Eindruck. Nicht nur »Captain America« scheint aus der Zeit gefallen zu sein, auch der von Independent-Ikone Todd McFarlane erdachte Super-Antiheld »Venom« erweist sich als anachronistisch

Bewertung: 2
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

In den Comics der 1980er Jahre und bei Sam Raimi bildete der durch einen Alien-Symbionten zum Echsen-haften Venom mutierte Reporter Eddie Brock eine reizvolle Kontrastfigur zum freundlichen Spider-Man von nebenan. In seinem ersten Solo-Film fehlt es ihm hingegen an einer interessanten Reibungsfläche. Man vermisst nicht nur den gegenwärtig mit Tom Holland vorzüglich besetzten wortgewandten Netzschwinger als verbalen Sparring Partner. Die biedere Erzählstruktur hakt pflichtbewusst die Stationen der handelsüblichen Heldenreise ab und dem mit Tom Hardy treffend besetzten Charakter bleibt kaum Freiraum für eigene Akzente. Gerade im Vergleich mit den politischen Subtexten und der strukturellen Komplexität anderer aktueller Marvel-Produktionen wirkt die launige Verweigerungshaltung in »Venom« so erfrischend und provokant wie der den Abspann zierende Song des vor zwanzig Jahren rebellischen Rappers Eminem. 

Zwar gibt es einige kurze Lichtblicke wie die an Steve Martins »Der Mann mit den zwei Gehirnen« (1983) erinnernden Zwiegespräche zwischen Eddie und seinem außerirdischen Parasiten oder die gelegentlich an McFarlanes fluide Comic-Ästhetik angelehnten visuellen Effekte, doch insgesamt bleibt »Venom« einfach zu vorhersehbar und behäbig. Besonders enttäuschend erweist sich die Müdigkeit des um einige Jahre zu spät auf der Leinwand eingetroffenen Antihelden in Hinblick auf die talentierte Besetzung. Riz Ahmed wirft als böse Pläne schmiedender Wissenschafts-Nerd mit biblischen Gleichnissen um sich, als bereite er sich auf eine schillernde Schurkenrolle vor. Leider muss diese irgendwo zwischen Skript-Konferenz und Schneideraum verloren gegangen sein. Michelle Williams als Eddies Ex-Freundin Anne merkt ganz treffend an, dass sie keine Lust habe, den Klischees des Genres entsprechend während des Showdowns alleine zu warten. Kurz entschlossen begleitet sie Venom und darf dann doch nur zur richtigen Zeit auf die entsprechenden Knöpfe drücken.

Angesichts dieses unfreiwilligen Sinnbildes für das Malen-nach-Zahlen-Konzept des Films wünscht man sich Williams hätte gleich die Independent-Regisseurin ihres Vertrauens, Kelly Reichardt mitgebracht, mit der sie Meisterwerke der kultivierten Langsamkeit wie das im Stillstand gefangene Road-Movie »Wendy and Lucy« (2008) gedreht hat. »Venom« als Geschichte eines in der Provinz gestrandeten Antihelden, der im nöligen Zwiegespräch mit seinem Symbionten den im Treffen aller Marvel-Jahrgänge »Avengers: Infinity War« erzählten Kollaps des Universums verpasst, hätte tragikomisches Potential und antiheroische Größe gehabt. 

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