Kritik zu Twenty Feet from Stardom
Der oscargekrönte Dokumentarfilm porträtiert die Backgroundsängerinnen berühmter Rock- und Popstars
Im Jahr 2002 porträtierte der Dokumentarfilm Standing in the Shadows of Motown eine Band von Studiomusikern, die in den 1960er Jahren an zahllosen Welthits des legendären Plattenlabels Motown mitgewirkt hatten; die Lorbeeren dafür hatten jedoch stets andere eingeheimst. In der Tradition dieses Musikdokuklassikers steht Twenty Feet From Stardom, Morgan Nevilles Hommage an die Backgroundsängerinnen berühmter Musiker. Jeder von uns kennt die Stimmen dieser Frauen, die den Liedern von Sting, Bruce Springsteen oder den Rolling Stones oftmals die letzte Würze geben – jenen »groove«, der einen guten Song zu einem Ohrwurm macht –, deren Namen und Gesichter jedoch gänzlich unbekannt sind: Merry Clayton, Gloria Jones, Claudia Lennear, Táta Vega oder Jo Lawry sind seit Jahrzehnten im Geschäft, aber zu Ruhm und Ehre kamen sie nur selten. Manche haben nie das Rampenlicht gesucht und sind mit ihrer Rolle im Hintergrund glücklich. Am einen Ende des Spektrums steht Lisa Fischer, die seit 1989 jede Tournee der Stones begleitet, dank ihres Charismas von den Zuschauern bejubelt wird und stets mindestens ein Duett mit Mick Jagger singt. Auf der anderen Seite steht Darlene Love, die in den 60er Jahren zahlreiche Hits für Phil Spector sang, der die Aufnahmen jedoch kurzerhand unter den Namen seiner Starsängerinnen vermarktete.
Trotz solcher bitteren Geschichten hat Nevilles Film nichts Larmoyantes. Er zeigt seine Protagonistinnen vor allem als stolze und starke Frauen, die sich mit ihrer Arbeit irgendwo zwischen Kunst und Handwerkertum bewegen. Spannend ist dabei auch die Perspektive der Musiker, für die sie arbeiten. Mancher möchte vor allem leicht bekleidete »Schauwerte« auf der Bühne haben, während etwa der Soul-Maestro Luther Vandross viel Wert auf stimmliche Details legte – vermutlich weil er als ehemaliger Backgroundsänger David Bowies nur zu gut um die Wirkung der Stimmen im Hintergrund wusste. Dennoch haftet den lobenden Worten von Sting und Bruce Springsteen für ihre Backgrounddamen etwas Pflichtschuldiges an. Am ehrlichsten dürfte Mick Jagger sein, wenn er sagt: »Ich würde mit Singen von ›Uuuhs‹ und ›Aaahs‹ nicht mein Geld verdienen wollen.«
Man kann an dem Film kritisieren, dass er die Mechanismen des männlich geprägten Musikbusiness und die politischen Aspekte des Themas zu wenig beleuchtet, immerhin geht es um vorwiegend afroamerikanische Frauen in den bewegten 60er und 70er Jahren. Merry Claytons faszinierende Geschichte über ihren Gesang bei der umstrittenen Südstsaaten-Hymne »Sweet Home Alabama« eröffnet da ein Spannungsfeld, das leider kaum vertieft wird. Andererseits würde das den Film in eine Richtung lenken, die Neville gar nicht anstrebt. Er will das Bewusstsein der Zuschauer für die Leistungen dieser Frauen schärfen und einer oft übersehenen Zunft ein Denkmal setzen. Und das gelingt ihm auf sehr unterhaltsame und feinfühlige Weise.
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