Kritik zu Things We Lost in the Fire
Viele Nahaufnahmen schaffen noch keine Nähe: In ihrem ersten in den USA gedrehten Film lässt Susanne Bier (»Open Hearts«, »Nach der Hochzeit«) Halle Berry und Benicio Del Toro das Trauma eines Verlusts gemeinsam und gegeneinander bewältigen
Der Tod ihres Ehemanns Brian (David Duchovny) kommt für Audrey Burke (Halle Berry) aus heiterem Himmel. Keine Krankheit und kein Betriebsunfall hat ihn das Leben gekostet, sondern ein Akt der Zivilcourage: Er wird von einem Mann erschossen, der auf offener Straße seine Frau verprügelt hat, bis Brian dazwischenging. Auf der Beerdigung taucht auch Jerry (Benicio Del Toro) auf, zerknittert, übernächtigt, offensichtlich aus einer anderen Welt als die anderen Gäste. Rückblenden klären darüber auf, dass er der älteste Freund des Verstorbenen ist, ein Junkie, den Brian nie aufgegeben hat, zum Leid von Audrey, die in Jerry immer eine Bedrohung gesehen hat.
»Things We Lost in the Fire«, der erste in den USA gedrehte Film der dänischen Regisseurin Susanne Bier (Open Hearts, Nach der Hochzeit), erzählt von der langsamen Annäherung zweier grundverschiedener Menschen. Sein bevorzugtes Mittel sind Close-ups: Die Nahaufnahmen der Gesichter von Audrey und Jerry lassen von Anfang keinen Zweifel an den Rollen, die ihnen zukommen. Audreys Gesicht ist maskenhaft, hart, erstarrt. Das von Jerry hingegen ist eine faltige Landschaft voller Runzeln und Täler, aus der immer eine Zigarette herausragt. Von Anfang an versteht er sich gut mit Audreys Kindern Harper und Dory. Die strenge Witwe und der kinderfreundliche Junkie: klar, dass die sich brauchen.
Als der deutsche Regisseur Ulrich Köhler nach einer Vorführung seines Films Bungalow mal gefragt wurde, worin eigentlich das Problem seiner Figuren bestehe, antwortete er sinngemäß: »Sie haben kein Problem. Sie haben kein Aids und keinen Krebs und sie haben auch keinen geliebten Menschen verloren. Mit anderen Worten: Ihr Dilemma besteht darin, dass sie frei sind.« Im Umkehrschluss umreißt Köhlers Antwort das Dilemma, in dem das Genre der Genesungsdramen steckt: Ihre in Extremsituationen steckenden Figuren sind erzählerisch erst einmal banal, weil sie unfrei sind. Sie können an ihrer Krise nur zugrunde gehen oder weiterleben.
Susanne Bier gelingt es nicht, das Besondere der extremen Ausgangssituation im Laufe des Films erzählerisch in das Besondere der Charaktere von Audrey und Jerry zu überführen. Es fehlen feine Beobachtungen, die die Figuren zum Leben erwecken. Nichts ist über ihre beruflichen und weltanschaulichen Hintergründe und ihr soziales Umfeld zu erfahren. Solange es darum geht, ihr inneres Leid zu schildern, gelingen Bier einige schöne Szenen. Etwa wenn die von Schlaflosigkeit geplagte Audrey Jerry bittet, sich zu ihr ins Bett zu legen und sie genau so zu halten, wie es ihr Mann Brian immer getan hat.
Doch wenn es darum geht, die Figuren erzählerisch aus dem Schatten von Brians Tod herauszuführen und auf eigene Füße zu stellen, verlässt sich die Regisseurin zu sehr auf ihre Nahaufnahmen und die Empathie der Zuschauer. Am Ende bleibt statt komplexer emotionaler Einsichten eine äußerst simple Botschaft, die Audrey Jerry auf einen Zettel schreibt: »Akzeptiere das Gute«. Schade, dass das Gute oft so langweilig ist.
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