Kritik zu School of Rock
Richard Linklaters neuer Film nimmt die Kids ernst
Lebensweisheiten haben in »School of Rock« die Griffigkeit von Songzeilen – AC/DC und Black Sabbath dienen in Richard Linklaters neuem Film der Verifizierung eines nicht gesellschaftsfähigen Lebenskonzepts. Aber was heißt hier schon Gesellschaft? "The Man", erzählt Dewey Finn, Rocker aus Überzeugung, seiner Schulklasse, übe längst Kontrolle über unser tägliches Leben aus. "The Man", so er weiter, sei überall: dein Vorgesetzter, der Mann im Anzug - ihre Schuldirektorin. "The Man" habe MTV erfunden und den Rock'n'Roll damit kaputt gemacht. Das sei der Grund, warum man Typen wie ihn heute heruntergekommene Loser nennen könne.
Man könnte meinen, Dewey Finn (bravourös verkörpert von Jack Black) sei aus einem von Linklaters frühen Filmen direkt in »School of Rock« gestolpert. Linklater hatte schon in »Slacker« und »Dazed and Confused« viel Verständnis für soziale Freaks wie Dewey gezeigt. Black ist der ultimative Hardrock-Slacker, das Bindeglied zwischen den redseligen Zeittotschlägern aus Slacker und der Aerosmith-Generation, die in »Dazed and Confused« gerade auf die Beine kam. Dewey hat immer noch ein Probleme damit, Halt im Leben zu finden. Gerade ist er aus seiner Band geflogen, weil seine Kollegen meinten, dass Rock – Verzeihung: R-O-C-K – nicht um einen Reifungsprozess herumkomme. Deweys Bühnenposen sind tatsächlich pure Roc-Clownerie: »School of Rock« eröffnet mit einem Konzert seiner Band, und seine schwabbeligen Solo-Einlagen sind einfach nur erbarmenswert. Doch Linklater gewährt dem armen Rocker auch unschätzbare Momente von Würde. Und dieser Respekt ist Linklaters wohl größte Leistung; Respekt gegenüber einer Musik, die im Kino schon oft genug verballhornt wurde (zuletzt in »Rockstar«, aber auch schon Mitte der achtziger Jahre mit »This Is Spinal Tab«), Respekt gegenüber deren bedingungslosen Verfechtern und Respekt gegenüber seinen jungen Darstellern. Denn zuallererst ist »School of Rock« kein Rockfilm, sondern ein Bildungsfilm. Ein richtiger Bildungsroman gar.
Um die Miete bei seinem besten Kumpel, einem Vertretungslehrer und Ex-Rocker, bezahlen zu können, schleicht Dewey sich als Pädagoge in einer elitären Schule ein, in der die kommende Oberschicht-Generation geschmiedet wird. Zunächst ist er nicht gewillt, sich mit seinen Schülern auseinander zu setzen; bis er ihr musikalisches Interesse entdeckt. Heimlich gründet er ein "Schulprojekt", das ihn und seine Klasse geradewegs zum lokalen Band-Wettbewerb führen soll - wohin Dewey es selbst nie geschafft hat.
Mit »School of Rock« wird Rockmusik erneut zur großen demokratischen Aufgabe erklärt. Man könnte eine Form des Revisionismus dahinter vermuten, war Rockmusik doch erwiesenermaßen schon immer ein hegemoniales und vor allem männlich dominiertes Modell. Aber »School of Rock« handelt in seinem Kern von sozialer Intelligenz und Kompetenz. Alles, was Dewey weiß, hat er von seinen Lieblingsbands gelernt. Der Erkenntnisprozess, dass in der Rockmusik sozusagen der Wissensschatz der Menschheitsgeschichte verborgen liegt, verwandelt sein geheimes "Schulprojekt" in einen Workshop sozialer Organisation - und »School of Rock« in eine der intelligentesten Komödien über das Heranwachsen seit langer Zeit. Die finale Rock-Initiation ist ein pädagogisches Gemeinschaftsprojekt – ganz im Geiste von AC/DC, The Who, Black Sabbath, Rush und natürlich Led Zeppelin.
Da erstaunt es umso mehr, dass »School of Rock« zunächst nicht mehr als eine Auftragsarbeit Linklaters gewesen ist – ein Mainstreamfilm als Gegenleistung für seinen kommerziell wie philosophisch schwer kränkelnden Experimentalfilm »Waking Life«. Paradoxerweise ist »School of Rock« nun Linklaters bester Film seit seinen ersten Independent-Filmen geworden: eine Kiddie-Komödie, die ihre Kids überaus ernst nimmt. Und ein Familienfilm mit einem alles andere als konservativen Wertebewusstsein.
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