Kritik zu Peninsula
Im nur locker an seinen »Train to Busan« anschließenden Sequel lässt Sang-ho Yeon einen Überlebenden der Zombie-Apokalypse Jahre später auf die Insel zurückkehren
Seine Entscheidungen verfolgen Jung-seok. Der südkoreanische Ex-Offizier gehörte vor vier Jahren zu den wenigen, die es geschafft hatten, der Epidemie in seinem Land zu entkommen. Gemeinsam mit seiner Schwester und deren Familie hatte er das letzte Schiff erreicht, das Südkorea in Richtung Japan verlassen konnte. Aber dafür hatte er so ziemlich alles andere geopfert, vor allem seine Menschlichkeit. Obwohl es ihm möglich gewesen wäre, hatte er ein kleines Mädchen nicht gerettet, sondern es ebenso wie dessen Mutter einfach am Straßenrand stehen gelassen.
Momente wie dieser prägten schon »Train to Busan«, Sang-ho Yeons Realfilmdebüt von 2016. In dem erfolgreichen Zombie-Thriller porträtierte der südkoreanische Filmemacher eine Gesellschaft, die den Egoismus zur größten Tugend erhoben hat und daran zugrunde geht. Abgesehen von einem kurzen Prolog, in dem Yeon zeigt, wie es dem von Dong-won Dang gespielten Jung-seok gelungen ist, die Zombie-Apokalypse hinter sich zu lassen, spielt »Peninsula«, das eher lose Sequel zu »Train to Busan«, in der Welt, die Menschen wie er durch ihre Entscheidungen erschaffen haben. Die Epidemie, die den größten Teil der südkoreanischen Bevölkerung in Zombies verwandelt hat, ist das eine, das rücksichtslose Denken ans eigene Überleben das andere.
Seit vier Jahren lebt Jung-seok nun zusammen mit seinem Schwager, der seine Familie bei einem Zombie-Ausbruch auf dem vermeintlich rettenden Schiff verloren hat, als illegaler Flüchtling in Hongkong. Sie schlagen sich irgendwie durch, werden aber von den meisten Menschen in ihrer neuen Heimat gefürchtet und gehasst. Als ihnen ein lokaler Gangsterboss, ein Angebot macht, greifen sie zu. Sie sollen mit noch zwei anderen Exil-Koreanern auf die Halbinsel zurückkehren und dort einen Transporter aufspüren, in dem 20 Millionen US-Dollar liegen.
Letztlich waren die Menschen auch in »Train to Busan« viel furchteinflößender als die Zombies. Denn sie haben sich bewusst dafür entschieden, über Leichen zu gehen. Diesen Gedanken greift Yeon in »Peninsula« wieder auf. Die überall in der Hafenstadt Incheon wartenden Zombie-Horden sind nur eine sekundäre Bedrohung, die eigentliche Gefahr für Jung-seok und seine Mitstreiter geht von einer Gruppe ehemaliger Soldaten aus, die überlebt haben und nun gleich einer Horde Wilder durch die Stadt marodieren.
Aus dem dichten, nicht nur räumlich begrenzten Zombie-Szenario seines Vorgängers wird in diesem Sequel ein postapokalyptisches Spektakel, das Versatzstücke aus den »Mad Max«-Filmen mit Ideen aus Neil Marshalls »Doomsday« (2008) verknüpft. Yeon gelingen dabei erneut einige eindrucksvolle Variationen auf Genreversatzstücke. So sind die 13-jährige Yu-jin und ihre vier Jahre jüngere Schwester Jooni, die Jung-seok vor dem Tod retten und fortan gemeinsam mit ihm kämpfen, zwei überaus faszinierende Figuren. Doch anders als noch in »Train to Busan« verliert sich Yeon in seinen Actionsequenzen, die mehr und mehr zum reinen Selbstzweck werden.
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