Kritik zu Papusza – Die Poetin der Roma

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Ein Leben in einem mörderischen Jahrhundert: Der Spielfilm von Joanna Kos-Krauze und Krzysztof Krauze erinnert – optisch beeindruckend – an die polnische Roma-Dichterin Bronisława Wajs, genannt Papusza

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Zur Schande wie zur Ehre werde sie ihrem Volk einmal gereichen, so prophezeit im Film eine Wahrsagerin der kleinen Bronisława, die von ihrer jungen Mutter »Papusza«, Püppchen, genannt wird. Für das Leben der Bronisława Wajs (1910–1987) sollte sich beides erfüllen. Papusza war die erste Roma-Lyrikerin, deren Werk ins Polnische übersetzt wurde. Unterstützt von dem Schriftsteller Jerzy Ficowski, der als politisch Verfolgter vorübergehend bei den Roma Unterschlupf fand, schrieb sie Verse, die von ihren Träumen und Sehnsüchten handeln. Als Ficowski ihre Gedichte sowie ein Buch über sein Leben bei den Roma veröffentlichte, warf man Papusza vor, die Geheimnisse und Mythen ihres Volkes verraten zu haben, und verstieß sie.

Ein Leben zwischen Selbstbehauptung und Anpassung vor dem Hintergrund zweier Weltkriege und einer kommunistischen Diktatur: Das polnische Regie-Paar Joanna Kos-Krauze und Krzysztof Krauze rekonstruiert es in seinem Film nicht chronologisch, sondern in verschachtelten Rückblicken, die beim Zuschauer zu Irritationen führen können. Der Schwerpunkt der Erzählung liegt in der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als die sozialistische Regierung Polens die Roma dazu zwingt, sesshaft zu werden und damit die Identität dieses Volkes in Frage stellt. Die dramaturgischen Entscheidungen der Filmemacher sind dabei nicht immer nachvollziehbar. Die Zeit der Verfolgung und Vernichtung der von den Nazis als »lebensunwert« erachteten »Zigeuner« wird nur knapp und erst gegen Ende des Films thematisiert. Der Übergang von der einen Diktatur zur nächsten kommt allzu beiläufig zur Sprache, wenn ein polnischer Polizist zynisch bemerkt, die Roma könnten ja nun in den frei gewordenen Baracken der Juden in Auschwitz und Birkenau unterkommen. Insgesamt bleibt die Historie aber eher Kulisse, nur indirekt vermittelt mit dem Schicksal der Personen. Diese, allen voran die Titelfigur (Jowita Budnik), werden von den Filmemachern psychologisch kaum plausibel entwickelt, nur wenige von Papuszas Gedichten werden am Rande zitiert. Man erfährt nicht, was sie dazu motiviert, bei einer Buchhändlerin lesen und schreiben zu lernen und für die Bezahlung sogar Hühner zu stehlen. Offen bleibt, warum sie sich gegen ihren Willen mit dem alten Dionizy Wajs (Zbigniew Waleryś) verheiraten lässt. Nur skizziert ist die Seelenverwandtschaft Papuszas zu dem jungen Schriftsteller Jerzy Ficowski (Antoni Pawlicki). Während Papusza im Laufe der Geschichte immer mehr in den Hintergrund tritt, gewinnen die beiden Männer etwas an Kontur.

Bei allen konzeptionellen Einwänden besticht Papusza durch überwältigend suggestive Bilder (Kamera: Krzysztof Ptak und Wojciech Staron). Die in allen Grauabstufungen durchkomponierten Schwarz-Weiß-Aufnahmen endloser Landschaften, unter deren weitem Himmel die Menschen mit ihren Planwagen ziehen, erinnern ebenso an Edgar Reitz‘ Epos Die andere Heimat wie die Detailbesessenheit (Ausstattung: Anna Wunderlich), mit der der Alltag der Roma in Szene gesetzt wird.

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