Kritik zu Nebel im August

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Kai Wessel verfilmt mit der Lebensgeschichte des im Alter von 13 Jahren ermordeten Ernst Lossa eine bislang wenig beleuchtete Seite des faschistischen Euthanasie-Programms

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Die ebenso unschuldigen wie wachen Augen eines Kindes haben sich als Guckloch zu den historischen Gräueln der Nazizeit schon vielfach bewährt. Nach Filmen wie »Der Junge im gestreiften Pyjama« oder »Das Tagebuch der Anne Frank« gilt das nun auch für »Nebel im August«, die Verfilmung des Tatsachenromans, in dem der Journalist Robert Domes die reale Lebensgeschichte von Ernst Lossa nacherzählt. Lossa wurde im Rahmen des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms im Alter von nur 13 Jahren ermordet. Seine Krankheit: schwer erziehbar.

Regisseur Kai Wessel ist mit dieser Geschichte in seinem Element: Neben diversen Fernsehkrimis hat er sich bereits mehrfach in Kino und Fernsehen mit der schwierigen deutschen Geschichte befasst, unter anderem in der zwölfteiligen Serie »Klemperer – Ein Leben in Deutschland«.

Während die Buchvorlage das ganze Leben rekapituliert, konzentriert sich der Film – nach einem Drehbuch von Holger Karsten Schmidt (»Das Programm«) – auf die Zeit, die der Halbwaise Ernst Lossa (Ivo Pietzcker) in der Heil- und Nervenanstalt Kaufbeuren verbrachte, in die er als aufmüpfiges Kind eingewiesen wurde. Von Anfang an sieht man als Zuschauer die Welt durch seine Augen: Ernst taxiert seine neue Umgebung, sichtlich argwöhnisch durch die schlechten Erfahrungen, die er zuvor in wechselnden Kinderheimen gemacht hat. Doch nichts bereitet ihn auf das Grauen vor, das hier hinter den oberflächlichen Fürsorge- und Heilungsabsichten lauert. So beginnt ein Coming-of-Age unter extremen Bedingungen. Pietzcker verkörpert diesen Ernst mit derselben Intensität wie zuvor schon den Titelhelden in Edward Bergers Film »Jack«. Mit einer schillernden Mischung aus Selbstbewusstein und Unsicherheit, aus jugendlichem Entdeckergeist, Sensibilität und trotzigen Widerstand reagiert er auf die Zumutungen des Ortes und der Zeit, wachsam für die harsche Wirklichkeit hinter dem versöhnlichen Schein. Störrisch geworden durch seine bisherigen Lebenserfahrungen, lechzt er dennoch nach einer Zuwendung, auf die der Leiter der Anstalt, Dr. Walter Veithausen, bei der ersten Begegnung hoffen lässt. Für Sebastian Koch ist es eine fast unlösbare Aufgabe, die richtige Balance zwischen väterlichem Freund und skrupellosem Naziarzt zu finden. Auch wenn man einräumt, dass Menschen immer versuchen, ihr schauriges Tun zu rationalisieren, bleibt seine Ausstrahlung doch zu sympathisch, um glaubhaft einen Mann zu verkörpern, der jeden Tag einen Teil seiner Patienten zum Tode verurteilt und die perfide Idee entwickelt, Gemüsesuppe auf den Speiseplan zu setzen, der durch endloses Kochen jegliche Nährstoffe entzogen wurden. Auch Henriette Confurius bleibt wenig Spielraum für ihre Krankenschwester, die mit lächelnder Unerbittlichkeit den tödlichen Himbeersaft verteilt. Was bleibt, ist das ernste, mürrische und verschmitzte Gesicht von Ivo Pietzker – der derzeit nicht vorhat, Schauspieler zu werden.

Meinung zum Thema

Kommentare

"Auch wenn man einräumt, dass Menschen immer versuchen, ihr schauriges Tun zu rationalisieren, bleibt seine Ausstrahlung doch zu sympathisch..."

Wenn die Kritikerin mal ihr eigenes Vorurteil zuhause gelassen hätte, hätte sie auch bemerkt, dass genau in dieser Figur und ihrer exakten darstellung durch dne Schauspieler der Grusel des Filmes liegt.

Ein sehr trauriger Film.

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