Kritik zu A Most Wanted Man
In seiner letzten großen Rollen spielt Philip Seymour Hoffman einen deutschen Geheimagenten in Hamburg
Man könnte meinen, A Most Wanted Man sei der richtige Film zur richtigen Zeit. Eine finstere Agentengeschichte über die Opfer im »Kampf gegen den Terror« und über die Macht der amerikanischen Geheimdienste auf deutschem Boden. Im Mittelpunkt steht der deutsche Agent Günther Bachmann. Er leitet in Hamburg eine inoffizielle Spezialeinheit, die Terrornetzwerke aufspürt und Verdächtige in die Zange nimmt. Doch als Bachmann einen illegal eingereisten Tschetschenen für seine Zwecke einspannen will, gerät er mit seinen Vorgesetzten beim Verfassungsschutz und vor allem mit der CIA in Konflikt.
Günther Bachmann war die letzte große Rolle von Philip Seymour Hoffman, daher die Antwort auf die drängendste Frage gleich vorab: Er ist großartig. Er spielt Bachmann enorm zurückhaltend, aber mit einer ungeheuer wuchtigen Präsenz: Als einen Mann, den all die Desillusionierungen seines Jobs schwer und müde gemacht haben, der aber trotzdem nicht zum Zyniker werden will. Er weiß, dass Idealismus und Pragmatismus oft Hand in Hand gehen müssen – seine Integrität will er dafür aber nicht aufgeben. Am Ende glaubt man ihm sogar die Phrase, dass er mit seiner Sisyphusarbeit hofft, »die Welt ein klein wenig sicherer« zu machen.
Der Rest des Films ist eine andere Sache. A Most Wanted Man basiert auf einem Roman von John Le Carré, und wenn man ihm glaubt, bestimmen seit 9/11 vor allem die Amerikaner, wer in Deutschland als Terrorist verhaftet wird – sein Roman trägt denn auch den treffenden deutschen Titel »Marionetten«. Es ist schwer zu sagen, ob es an den dramaturgischen Verkürzungen der Verfilmung liegt oder an den realen Enthülllungen über die NSA-Machenschaften, die erst nach Drehende bekanntwurden – aber als »politischer« Agentenfilm wirkt A Most Wanted Man seltsam überholt. Die Ränkespiele der Abteilungen und »Agencys« kann man angesichts der realen Verstrickungen nur abgeklärt belächeln. Und dass ein illegaler Tschetschene auf einer Terrorliste landet, nur weil er bereits in Russland inhaftiert war, mag zum Erscheinen des Romans ein Aufreger gewesen sein. Heute wirkt es beinahe verständlich, wenn inzwischen bereits ein politischer Facebook-Eintrag Konsequenzen haben kann.
Aber auch als purer Genrebeitrag funktioniert der Film nur mäßig. Es dürfte zwar durchaus den authentischen Vorgängen entsprechen, dass sich nur sehr schleppend herauskristallisiert, worum es den einzelnen Parteien eigentlich geht. Aber vieles bleibt allzu bruchstückhaft, Zusammenhänge werden eher behauptet als dargestellt, und die Motivationen der Figuren wirken mitunter forciert. Trotzdem könnte einem die Geschichte über die Skrupellosigkeit der Staatsgewalten nahegehen, wenn sie mit angemessenem Furor inszeniert wäre. Als Denkanregung ist ein inszenatorischer Schlag in die Magengrube nicht immer das Schlechteste. Aber Corbijn setzt auf einen emotionalen Minimalismus, der tiefgründig wirken und den Ernst des Dramas betonen soll, den Zuschauer aber auf Distanz hält. Bei Bachmanns altmodischen Methoden und seinen konspirativen Treffen mit Informanten verweist Corbijn auf die Politthriller der 70er Jahre, ohne je deren emotionale Wucht zu erreichen. Zugleich zielt seine Inszenierung auf einen zeitgenössischen Realismus, der jedoch in der Originalfassung komplett ausgehebelt wird, weil sämtliche deutschen Charaktere ausschließlich englisch sprechen – sogar, wenn sie in der Imbissbude einen Kaffee bestellen. Dadurch ist A Most Wanted Man einer der wenigen Fälle, wo die Synchronfassung natürlicher als das Original klingen dürfte.
Was bleibt, ist Philip Seymour Hoffman. Er allein macht den Film sehenswert. Die Handlung mag von der Zeit überholt worden sein. Aber durch Hoffmans bitteres Porträt eines Mannes, der durch seine Integrität zur Marionette wird, bekommt A Most Wanted Man trotzdem etwas Zeitloses.
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